Wenn ich Dich bräuchte
- thomasvonriedt
- 7. Dez.
- 11 Min. Lesezeit

1
Der Morgen roch nach Salz und Kohlrauch, als Michael Jones die nassen Bretter des Piers entlangging. Der Wind trug den Geruch von Tang und die fernen Schläge der Werft, die seit Wochen nur noch halbtags lief. Zwischen den Pfählen schwappte die See gleichmütig gegen die Stufen, als wäre nichts gewesen – kein Winter der Streiks, keine Schliessungen, kein Auseinandergehen. Das England der frühen 70er war zwar in Bewegung, die grossen Änderungen würden noch kommen.
Er blieb an der Kante stehen. Drüben, wo der Fluss in die Bucht mündete, lag der Nebel flach wie ein Tischtuch. Aus dem weissen Nichts tauchten die Umrisse des alten Leuchtturms auf, dann verschwanden sie wieder. Michael schob die Hände in die Taschen der Wachsjacke, die ihm sein Vater hinterlassen hatte. Das Leder war an den Ellbogen aufgeplatzt, es störte ihn nicht.
Er war vorgestern Nacht aus London zurückgekehrt, in einem überhitzten Zug, einem Bummler, der an jeder Milchkanne hielt. Keine Telefonnummer mehr, von der er wusste, ob jemand abheben würde. Nur die Adresse ihrer Tante in Polperro, Cornwall, die auf die Rückseite eines Kassettencovers gekritzelt war. Die Kassette von Graham Nash trug ein Lied, das von einer Hand sprach, die man zu halten versprach, und von einem Meer, das man notfalls durchqueren würde. Er hatte sie monatelang abgespielt, bis das Band an den Rändern ausfranste.
In der Weststrasse hatte die rote Telefonzelle noch eine Wählscheibe. Dreimal hatte er die Finger hineingelegt und dreimal wieder zurückgezogen.
Jetzt stand er hier. «Kommst du?», sagte er leise in den Wind, als könnte der Nebel antworten.
2
Im Sommer 1972 hatte Michael sie zum ersten Mal gesehen: Kim Ashley, vor dem Schaufenster des EMI-Plattenladens in Plymouth, die roten Haare gebändigt mit einem Tuch, die Augen dunkel vor Ungeduld. Der Laden spielte Joni Mitchell, aber Kim lachte darüber und griff nach einer Platte von Sandy Denny. «Musik, die draussen Wind macht», sagte sie.
Kim wuchs bei der Tante auf, einer Witwe, die den Duft nach Lavendel in jedes Handtuch kochte. Ihre Eltern waren auf dem Meer geblieben, als sie fünf war; darüber sprach sie wenig. Sie sang an Folkmusik-Abenden im «Sailors’ Rest», wenn die Arbeiter aus der Werft in öligen Overalls an den runden Tischen sassen und so taten, als hörten sie nur hin, um das Bier besser schmecken zu lassen. Michael begleitete sie auf einer geliehenen Gitarre mit einer zerkratzten Oberfläche. Es reichte.
Er fuhr damals ein klapperndes Triumphmotorrad, das man nur mit Geduld und einem Tritt zur Einsicht bewegen konnte. Er brauchte bald mehr Motorenöl als Benzin und rauchte bei jedem Gangwechsel. Auf dem Rücksitz hielt Kim ihn an der Jacke fest, vorsichtig, als prüfe sie, ob Berührung auch am nächsten Tag noch da sei. Wenn sie am Strand sassen, zählte sie die Lichter der Schiffe und erfand zu jedem eine Geschichte. «Für die, die nichts haben, ist jede Geschichte ein Schatz», sagte sie einmal. «Man muss nur die Hand aufhalten.»
Michael war keiner, der grosse Sprüche machte. Er arbeitete in der Lackierhalle der Werft; die Farben legten sich in feinsten Staub in seinen Bart. Abends roch er nach Lösungsmittel und Salz. Er glaubte, dass ihm beides zustehe: die Arbeit, die das Brot brachte, und die Stimme, die ihm sagte, wann es Zeit war, den Kopf zu heben. In Kims Nähe hörte er diese Stimme.
3
1974 ging die Werft in Kurzarbeit, keiner wusste, wie lange es noch Arbeit für alle gab. Vom fernen London hiess es, Klubs suchten junge Musiker, die billig waren. London war hip, die Szene bewegte sich, ein Musikstil löste den nächsten ab und die grossen Konzerne waren unersättlich. Ein Freund von früher schrieb, er habe einen Auftritt in Islington, Kontakte, ein Sofa. «Komm, Michael», schrieb der Freund. «Hier fragt keiner, wo du herkommst. Hier zählt, was du bringst.»
Die Nacht, bevor er fuhr, war windstill. Sie sassen am Hafen. Kim drehte das Kassettenfach seines rekordverdächtig zerkratzten Geräts auf und legte ein Band ein. «Wenn du mich brauchst, kommst du, ja?», fragte sie, halb spöttisch, halb in Sorge, und liess den Satz offen. Michael sah auf ihre Hände; sie wirkten schmal, aber in den Knöcheln lag eine ruhige Kraft.
«Ich bin nicht der, der wegläuft», sagte er.
«Wer wegläuft, weiss es vorher nie.»
Sie küsste ihn lange, ohne Dringlichkeit, als wollte sie diesem Augenblick Zeit lassen, sich zu setzen. Später, im Dunkel, als sie an seiner Schulter lag, sagte sie: „schliess die Augen nicht zu früh. «Man verpasst so viel.»
Er versprach alles, was man in solchen Nächten verspricht.
4
London war lauter als sein Kopf. In den Klubs war es dunstig blau vom Zigarettenrauch und der Angst derer, die weit gekommen waren und doch immer noch nur am Rand standen. Michael spielte alles, was man hören wollte. Lieder, die von Strassen erzählten, die immer weiterführten, und von Morgen, die man zu oft verschlief. Ein Booker zeigte Interesse; es gab kleine Touren im Norden, irische Pubs in Birmingham, Aufwärmsets vor Bands, deren Namen er vergass. Es reicht immer knapp von einer Woche zur nächsten.
Er schrieb Kim Postkarten: Backsteinwände, auf die Regen zeichnete; ein Hotelzimmer, in dem der Rotwein nach Metall schmeckte; ein Mann, der im Hinterzimmer einer Bar weinte, weil seine Frau ihn verlassen hatte und die Musik nicht. Kim antwortete in seltenen Briefen, in denen zwischen den Zeilen die Tante atmete und die Werft stöhnte. Sie sang weiter, ging sonntags an den Strand, stand morgens früh auf, um den Nebel zu sehen. «Ich halte meinen Platz», schrieb sie, «bis du wieder weisst, wo deiner ist.»
Im Frühjahr 1975 starb die Tante. Kim schrieb es auf ein dünnes Blatt, das die Post zerknittert im Umschlag anlieferte. Michael war jetzt in Sheffield, es regnete seit drei Tagen an die Fenster. Er rief an – die Wählscheibe drehte sich langsam, als hinke die Zeit. Kim nahm ab und schwieg. «Es tut mir leid», sagte Michael. «Ich komme am Wochenende runter.»
«Lass es», sagte sie. «Dieses Mal schaffe ich es allein.»
Sein unstetes Leben als Musiker ging ereignislos weiter, er konnte sich gerade mal knapp erhalten. Sie trafen sich erst Monate später. Er fühlte, da stand irgendetwas zwischen ihnen, etwas, das keine Worte wollte. Bei seinem letzten Auftritt im «Sailors’ Rest» sang sie ein Lied, das er nicht kannte, und die Männer an den Tischen schauten plötzlich nicht mehr nur auf ihre Gläser. Danach ging sie früh; er blieb zurück und packte die Kabel ein, als hätte er Zeit.
Am Morgen fuhr er wieder in den Norden. Kein Abschied wie früher, sie winkte nicht.
5
Winter 1976: Stromabschaltungen, kalte Flure, Kälte, die durch die Fenster zog wie ein dünnes Messer. England lernte die Härte der Streiks kennen. Es türmte sich der Abfall in den Strassen, die Bäcker buken nicht mehr und die Schornsteine der Elektrizitätswerke waren kalt. Michael teilte sich ein Zimmer mit zwei anderen Musikern. Einer klaute, der andere liebte jedes Mädchen, das ihm in den Weg kam. Michael liebte die Stille zwischen zwei Tönen, die kurz so tat, als könnte sie etwas ändern. Manchmal sah er Kim in einer Menge, die nicht zugegen war. Er würde dann die Gitarre zu hoch stimmen und das Lied zu langsam spielen.
In einer Januarnacht, nachdem ein Mann ihm im Pub gesagt hatte, er solle sich «endlich entscheiden: Arbeiten oder Träumen», ging Michael barfuss in den Hof, wo der Frost die Ziegel blank machte. Er dachte an Kims Satz vom Verpassen. Am nächsten Tag schrieb er einen Brief, in dem keine Versprechen standen, nur eine Richtung: „Ich fahre nach Hause. «Wenn du mich brauchst, bin ich da.»
Er fand keine Worte für die Monate, die dazwischenlagen. Der Zug fuhr an den Schornsteinen vorbei, die nicht mehr rauchten. An den Kühen, die in einem grauen Feld standen. An Frauen, die mit Kopftüchern an der Strasse auf ihre Männer warteten. Er hielt den Brief in der Hand, als wäre er eine Fahrkarte für einen Anschlusszug.
6
Er nahm sich ein Zimmer im «Royal George». Die Wirtin erinnerte sich an seine Eltern, an seinen Vater, der damals im Nebel vom Pier rutschte und es überlebte, als sei die See an diesem Tag mild gewesen. «Die Ashley», sagte sie, «singt nicht mehr so oft.» «Nach dem Tod ihrer Tante hat sie unten im Laden geholfen. Aber sie kommt gelegentlich – wenn’s ruhig ist.»
Am zweiten Abend ging Michael hinunter. Der «Sailors’ Rest» roch wie immer nach Bier, Farbe und nasser Wolle. Auf der Bühne stand ein junger Mann mit einem Banjo, dem die Saiten fehlten, und er mit der Hand darauf, um Rhythmus zu machen. Kim sass an einem Tisch, den Rücken zur Wand, einen Wollmantel über ihren schmalen Schultern. Als sie ihn sah, hob sie die Hand nicht; sie legte nur den Kopf ein, wenig schräg, als wartete sie auf den Ton, der zeigte, wer zuerst atmete.
«Du bist also wieder da», sagte sie später leise, an der Türschwelle, wo die Luft nach Regen roch und Salzwasser zugleich schmeckte.
«Ich war nie wirklich weg», sagte Michael, und merkte, wie falsch der Satz klang. «Ich habe nur nicht mehr gewusst, wie man zurückkommt.» «Man kommt nicht zurück.» «Man kommt an», sagte sie lakonisch.
Dann gingen sie schweigend zum Wasser. Der Fluss trug an der Oberfläche kleine Schaumkronen, obwohl kaum Wind wehte. «Ich habe oft gewartet», sagte Kim, «aber nicht so, wie du’s denkst. «Ich habe gewartet, bis ich wusste, ob ich dich brauche, oder nur die Idee von dir.»
Michael nickte. «Ich habe oft gesungen, dass ich käme, wenn du mich riefest.» «Aber am Ende habe ich nur noch mich gehört.»
«Man kann lautlos rufen», sagte sie. «Man kann auch hören, ohne zu kommen.»
7
In den Wochen danach gingen sie sich nicht aus dem Weg, aber sie suchten ihn auch nicht. Man sah sie morgens im selben Café, wo die Tassen innen vom Kalk weiss waren. Man sah die beiden abends, wie sie zur selben Zeit das Licht ausmachten. Wenn sie sich trafen, sprachen sie über belanglose Dinge, die nicht wehtaten: einen Händler, der Zwiebeln aus Spanien brachte; einen Hund, der nie bellte; die Frau, die seit Jahren dasselbe Kleid trug. Michael arbeitete tagsüber im Lager des Fischhändlers, ölte Scharniere, trug Kisten, lernte wieder das Gewicht von Dingen. Nachts spielte er gelegentlich in der Ecke des Pubs, ohne Bühne. Die Männer schauten dann vor sich hin; eine der Frauen wischte mit dem Daumen die Ränder der Gläser sauber, ein schmutziges Handtuch lag auf dem Tresen.
Eines Morgens holte Kim ihn am Pier ab. «Komm, Michael», sagte sie, «heute verpasst du nichts.» Er folgte ihr an den Strand, der bei Ebbe breit wurde. Vom Meer her kam Dunst, der kaum Farbe hatte. Kim zog die Schuhe aus und ging mit den nackten Füssen ins Wasser. «Ich dachte immer», sagte sie, «wenn einer so etwas sagt wie du damals – von Wegen und Meeren und all dem –, dann meint er mich.» «Aber vielleicht meinte er nur sich.» Und sie spritzte mit den Füssen das Wasser zu ihm.
«Ich meinte dich», sagte Michael.
«Und jetzt?»
«Jetzt meine ich uns beide.»
Sie stand still. Die Wellen kamen und gingen, ohne Entscheid. «Zeig’s mir nicht mit Worten», sagte sie. „Zeig’s mir mit Warten. Mit Da-Sein. «Mit dem, was man mit den Händen macht.»
8
Der Frühling machte es ihnen einfach. Die Lieferungen an die Werft nahmen zu, als hätten alle beschlossen, es noch einmal zu versuchen. Es ging wirtschaftlich wieder nach oben, James Callaghan hatte Harold Wilson abgelöst. Kinder sprangen an Nachmittagen in den Hafen, wenn die Boote draussen waren. Kim sang wieder, zwar selten, aber wenn, dann füllte sich der Raum mit einer Art Helligkeit, gegen die die Lampen kaum ankamen. Die Gäste liebten sie und ihre klare Stimme.
An einem Dienstag stürzte ein Junge beim Spielen vom Steg. Es war Ebbe, das Wasser stand niedrig und die Pfähle waren glitschig. Niemand schrie, weil niemand wusste, wer zuerst. Sie waren alle wie blockiert. Michael sprang, ohne zu überlegen, die Weste nass, die Stiefel schwer. Er erreichte den Jungen, bevor der Schlick ihn ganz zu sich nahm, und hob ihn, sein eigenes Herz so laut, dass es den Hafen hätte wecken können. Es war einfach ein Reflex. Als sie beide wieder auf den Planken lagen, völlig ausgepumpt, sah er Kim. Sie stand da, die Hände zu Fäusten geschlossen, als müsste sie etwas festhalten, das sonst davonflöge. «Du bist da», sagte sie später, als die Rettung ihm eine Decke umlegte. «Du bist wirklich da.»
Er wollte etwas sagen, das nicht kitschig war. Er sagte nichts. Sie legte einfach ihre Hand auf seine, so vorsichtig, als sei sie frisch.
9
Die Nacht danach war klar. Keine Wolke, nur der Leuchtturm, der mit langen Zügen atmete und mit seinem bleichen Finger weit in den Kanal zeigte. Sie gingen zum Wasser. Kim nahm seine Finger und legte sie in ihre Hand hinein – nicht wie jemand, der um Erlaubnis bittet, sondern wie jemand, der nach Hause kommt, den man festhalten will. «Ich habe gelernt, ohne dich zu leben», sagte sie. «Das ist kein Vorwurf. Das ist die Bedingung.»
«Ich habe gelernt, dass die Eile kein Ort ist», sagte Michael. Sie lachten über den seltsamen Satz. Dann schwieg der Wind und man hörte nur das leise Klicken von Muscheln am Strand und die schrillen Schreie der ewig hungrigen Seemöwen.
Der Morgen war im Entstehen, die Sonne kämpfte sich durch den Morgendunst, erst langsam und dann immer stärker. «Schliess die Augen nicht», sagte Kim, «diesmal nicht.»
«Ich bleibe», sagte Michael.
Sie sahen zu, wie das Licht über den Nebel kroch und die ersten Möwen schreiend an die Kante des Tages stiessen. Es gab kein grosses Wort, nur die Gewissheit, dass man die Dinge manchmal nicht mit Versprechen hielt, sondern nur mit Wiederholungen wie «Brot kaufen», nach dem Regen den Fenstersims abwischen, zuhören, jemandem, der nichts zu sagen weiss.
10
Im Sommer fuhren sie zu zweit auf der Triumph Bonneville, deren Motor Michael mit einer Geduld repariert hatte, die Kim von ihm nicht kannte. Sie stellten ein Zelt an einem Feldrand auf, der nach Kamille roch, und hörten die Nachtzüge weiter oben, die nie ganz ankamen. Kim legte abends die Kassette aus alten Tagen in das kleine Gerät; es knisterte, als wäre dort ein Kamin verborgen. Das Lied, das immer wieder vom Überqueren eines Wassers sprach, war abgenutzt. Es brauchte keinen Text mehr.
«Du wolltest immer weite Wege», sagte Kim.
«Ich habe sie gefunden», sagte Michael. «Sie gehen durch dich.»
Später, als sie in der Wärme des Stoffs atmeten, sagte Kim: „Wenn ich dich je darum bitte, zu kommen – dann komm. Aber nicht wie einer, der rennt. «Wie einer, der weiss, wohin.»
«Und wenn du mich je brauchst», antwortete er, «dann schwimme ich.» Nicht heroisch. «Einfach – bis ich da bin.»
Sie spürten beide, dass es nicht um Heldentaten ging. Sondern um das leise Wissen, dass der Weg über das Wasser aus kleinen Schritten besteht: ein Fuss, dann der andere. Die Hand, die man hinlegt, wenn die andere müde ist.
11
Es gab später noch schwierige Tage. Der Winter, in dem sie kaum Arbeit hatten. Streit, der vier Wochen dauerte und in dem es um nichts ging und um alles. Ein Verlust, über den sie nicht sprachen, weil das Schweigen die Form ihrer Trauer besser hielt als Worte. Doch jeden Morgen, wenn Michael früh aufwachte, machte er Tee und stellte eine Tasse an ihr Bett. Manchmal schlief sie, manchmal nicht. Manchmal, wenn der Wind vom Meer herkam, legte sie im Halbschlaf ihre Hand in seine, mit einer Bewegung, so schlicht, dass sie alles sagte, was sie brauchten.
Im Hafen erzählte man gern von dem Mann, der vor Jahren versprochen hatte, zu kommen, wenn man ihn rief, und dann wirklich gekommen war, ohne Lärm, ohne Beweis. Die Leute sagten, diese Liebe sei «nichts Besonderes» – und meinten damit das Gegenteil: dass sie nicht aus Taten bestand, die Schlagzeilen brauchen, sondern aus dem, was man kaum sieht.
12
An einem Morgen, als der Nebel so leicht war, dass man ihn hätte falten können, standen sie wieder am Pier. Michael hielt die alte Kassette in der Hand, die inzwischen mehr Knistern als Lied war. Er warf sie nicht weg und legte sie auch nicht ein. Michael steckte sie in die Tasche, als sei sie ein Talisman, der nur erinnern sollte: an eine Zeit, in der Worte gross schienen, und an eine andere, in der das Kommen klein und genau wurde.
Kim sah zu ihm herüber. «Wenn du mich brauchst?», fragte sie.
«Dann rufe ich nicht erst.»
Sie lachte. «Und wenn du nichts brauchst?»
«Dann bleibe ich.»
Die Sonne kam als dünner Strich über den Horizont des Meeres. Wer die Augen schloss, verpasste ihn. Sie taten es nicht. Sie standen da, zwei Menschen in einer kleinen Stadt an einer grossen Wasserfläche, und wussten, dass eine Frage, so einfach gestellt wie jene, die einmal ein Lied in eine Stirn geschrieben hatte, eine Antwort gefunden hatte, die keine Bühne brauchte.
Der Tag begann. Sie gingen nach Hause.
Für immer
Der melancholische Song "If I needed you" by Don Williams & Emmylou Harris, hat mich zu dieser Geschichte bewogen, das weniger bekannte Original stammt von Townes van Zandt, (7.3.44 - 1.1.1997)










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