Vorsicht auf Mallorca
- thomasvonriedt
- 26. Nov.
- 3 Min. Lesezeit

Nichts, aber wirklich gar nichts deutete darauf hin, dass dieser Mittwoch Anlass zur Sorge geben würde. Charlie, das selbst ernannte Alphatier der Seniorengolfer, bereitete sich wie immer mit der Hingabe eines Herzchirurgen auf seine Runde vor. Er straffte sein Poloshirt über seinen strategisch drapierten Wohlstandsbauch, prüfte sein Spiegelbild in der automatischen Schiebetür – zweimal – und schob dann seinen Jucad Phantom Titan Caddy hinaus, so stolz, als wäre er der Erfinder des elektrischen Trolleys persönlich.
Eigentlich wollte er noch ein paar Putts üben, aber das Risiko, dass sein Bauch im Clubrestaurant unkontrolliert entgleiten könnte, erschien ihm zu groß. Er zog den Bauch also ein, bis die inneren Organe Platzangst bekamen, und marschierte zu den Damen, die bereits kichernd beisammenstanden. Links und rechts gab er Küsschen wie ein italienischer Bürgermeister bei der Eröffnung eines Weinfestes. Trudi, die Diva des Clubs, flüsterte ihm ein „mmmh“ ins Ohr, das eindeutig nicht auf ihr Frühstücks-Croissant zurückzuführen war.
Hatte er wieder etwas an sich, das wirkte? Oder nur etwas, das roch?
Der erste Abschlag war seine Rettung. Endlich durfte der Bauch wieder atmen – ein fast hörbares „Pfooooh“ entwich ihm. Charlie platzierte sein Tee wie ein Uhrmacher, legte seinen Lieblingsball darauf und begann seine traditionell überlange Pre-Shot-Routine: ausrichten, fixieren, ausbalancieren, nachjustieren – und Bauch wieder einziehen. „Two knuckles“, murmelte er, und „nicht zu fest greifen“.
Der Schwung saß. Metallisch, majestätisch, angenehm laut. Der Ball flog 180 Meter und rollte noch 20 Meter weiter.
Mallorca-Training zahlt sich aus, dachte Charlie. Hoffentlich sieht Rosi das.
Rosi sah es. Oder vielmehr sah sie ihn – und zwar so auffällig, dass selbst Walter später meinte: „Bro, das war ein Blick.“
Charlies Stimmung hob sich wie ein frisch gelüftetes Soufflé.
Er spielte großartig. Knapp über Par, guter Rhythmus, stabile Laune. Und weil er sich so wohl fühlte, ließ er den Bauch etwas entspannter hängen, was man als Zeichen größter innerer Harmonie oder zunehmender Gleichgültigkeit deuten konnte. Gelegentlich lobte er die Schläge seiner Mitspieler – am liebsten jene von Rosi, die in ihren engen Chèrvo-Hosen optisch, wie eine Wanderbroschüre für Golfferien wirkte.
Charlie liebte Bethli, wirklich. Aber Bethli hatte inzwischen Beine, die man diplomatisch als „bodenständig“ bezeichnen konnte. Und die knackige Rückseite ihrer Golf Hose war inzwischen… sagen wir… eine Legende.
Doch heute war Charlie loyal – zumindest bis Rosi wieder abschlug. Da wurde er kurz illoyal im Blick, aber treu im Herzen. Er war schließlich ein anständiger Mann.
Dann passierte das, was bei Golf immer passiert, wenn man gerade in Hochstimmung ist: der Katastrophenschlag. George spielte solide. Charlie auch – zumindest bis auf die letzten 80 Meter. Dann verabschiedete sich sein Ball auf eine kleine private Reise ins Rough. Eine Bö half großzügig nach.
Während die Damen wie Maschinen präzise aufs Fairway knallten, schlug sich Charlie durchs Gestrüpp wie ein Ranger in der Wildnis.
Löwenzahn. Kleeblatt. Undefinierbare Pflanzen, die nicht einmal Google erkennen würde.
Und dann – die Stimme.
„Freut mich, dich zu sehen, Charlie. Heb mich auf, und ich werde es dir danken.“
Charlie blieb stehen. „Was zum…?“
Er sah sich um. Niemand. Außer Rosi, aber die war zu weit weg, um als Umweltgeräusch infrage zu kommen. Da lag ein pinkfarbener Ball.
„Charlie… nimm mich mit.“
Er schluckte. Zu viele Sonnenstunden auf Mallorca? Oder war der pinke Ball einfach nur… pink und frech?
„Ich bin kein gewöhnlicher Ball, Charlie.“
Das half ihm nicht. Fast automatisch hob er ihn auf.
„Lady Srixon soft, pink,“ stellte er nüchtern fest.
„Danke, Charlie“, hauchte die Stimme. „Ich wusste, du würdest mich retten.“
„Charlie! Alles okay?“ George stand plötzlich hinter ihm.
„Ja! Alles bestens! Nur ein… Ball.“
Er stopfte den Rosa-Versucher in die Tasche und schwor sich innerlich, die nächste Mallorca-Reise ohne Gruppendynamik und ohne Stimmen im Gras zu buchen.
Die Moral der Geschichte?
Beim Golf ist alles möglich – sogar sprechende Bälle. Aber am gefährlichsten bleibt: der eigene Bauch.










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