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Unruhige Nacht

  • thomasvonriedt
  • 16. Dez.
  • 3 Min. Lesezeit
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Walpurgisnacht

 

Meistens folgt man vor dem Zubettgehen einem bestimmten Ritual, das kaum Einschränkungen kennt. Doch die Art und Weise, wie man zur Ruhe kommt, variiert, je nachdem, ob man allein ist, zu zweit oder im Familienkreis. Je mehr Geräuschquellen es gibt, desto weniger fallen einem die feinen Unterschiede in der Umgebung auf. Man liegt im Bett, der Schlaf will bisher nicht kommen, und beginnt, die Atemzüge der schlafenden Ehefrau zu zählen. Das wirkt beruhigend. Vereinzelt hört man ein Kind murmeln, sicherlich träumt es von der Schule. Ich drehe mich um und schlafe schliesslich auch ein. Klingt das vertraut?

 

Die Situation ändert sich jedoch vollständig, wenn man allein zu Hause ist. In solchen Momenten können die Schleusen der Fantasie und des Unterbewusstseins fast unkontrolliert aufgehen, und genau hier beginnt meine Geschichte.

Die Nacht vom 30. April auf den 1. Mai ist als Walpurgisnacht bekannt, und die Fernsehsender überbieten sich mit Gruselfilmen. Abgebrühte Horrorfilm-Liebhaber nehmen das mit einem Lächeln hin, während sensiblere Menschen vielleicht beim ersten Auftauchen des Bösen zusammenzucken. Es war schon weit nach Mitternacht, als ich nachdenklich ins Schlafzimmer ging. Ein Film, der auf angeblich wahren Ereignissen basierte und mit dem bösartigen Grinsen des ewigen Bösen endete, hinterliess in mir ein beklemmendes Gefühl. Ich verscheuchte die düsteren Gedanken und legte mich ins Bett. Während ich auf dem Rücken lag schien es mir, als könnte ich den vertrauten Duft meiner Frau wahrnehmen. Das Brummen der Heizung und das Knacken der Dachbalken waren wie immer.

Draussen war es stockdunkel, da die Strassenlaternen nach 01:00 Uhr abgeschaltet wurden.

 

 

Unheilige Stunde

 

Es heisst, dass die Zeit um 03:00 Uhr den dunklen Mächten gehört, nicht Mitternacht. Diese Polarität bezieht sich auf die Überlieferung, dass Christus um 15:00 Uhr am Nachmittag auferstanden ist. In einer solchen Nacht sollte man die Hexen hören oder sehen können, wie sie zum Blocksberg fliegen, um ihren Meister zu treffen. Wer unangenehme Überraschungen vermeiden will, legt ein offenes Taschenmesser unter das Bett oder streut Salz ums Haus. (P. S.: Was macht man bei Regen?)

 

Angst kroch mir in den Nacken, und mein Puls stieg, als ich begann, seltsame Geräusche zu hören. Als Kind hatte ich einmal ein "Toggeli" erlebt – ein Wesen, das sich auf die Brust des Schlafenden setzt und das Atmen erschwert. Man sieht dann in seine feurigen Augen und wird von Panik erfasst. Ich floh damals ins Schlafzimmer meiner Eltern, und mein Vater wusste stets Rat: Man sollte beten und in alle vier Himmelsrichtungen ein Kreuz schlagen. Das mochten diese Kreaturen nicht. Warum, wusste ich nie, denn wir waren nicht katholisch. Aber es half immer.

 

Während diese Schreckgestalten meiner Kindheit in meine Erinnerung zurückkehrten, hörte ich ein eigenartiges Kratzen und ein seltsames, röhrendes Geräusch. Erinnerungen an meine Kindheitsängste tauchten auf. Unsinn. Die Vorstellung, dass jemand oder etwas durch das Fenster eingedrungen sein könnte, war noch unangenehmer. In der Gegend gab es tatsächlich Schlafzimmereinbrecher. Barfuss fühlte ich mich schutzlos und fragte mich, womit ich mich verteidigen könnte. Was, wenn etwas unter dem Bett lauerte? Stephen King hat angeblich nie mit unbedeckten Füssen geschlafen.

 

Ich stand auf und schaltete das Licht ein. Ich durchsuchte jedes Zimmer und sah nach offenen Türen oder Fenstern – nichts. Nach einem Schluck Wasser blieb ich einen Moment im Dunkeln stehen. Es war nichts zu sehen. Kaum lag ich wieder im Bett, hörte ich erneut das Geräusch. Ein stossrtiges Schnauben, als käme es von einem grossen Bock, begleitet von Kratzgeräuschen, die an Hufe oder Krallen erinnerten. Plötzlich schaltete sich das Flutlicht im Garten ein. In der Hand den Schürhaken vom Kamin, machte ich mich bereit, mich zu verteidigen.

 

Draussen war nichts. Oder besser gesagt: es war nichts, das eine Tracht Prügel verdient hätte. Mein nächtlicher Besucher, ein Igel, hätte eher eine Stärkung als eine Bestrafung verdient.

 

 

Empfehlung

 

Vielleicht sollte man abends leichter essen und eher Erotik- als Gruselfilme schauen. Wenn Filme schon Reaktionen und Vorstellungen auslösen, dann lieber nur angenehme, oder? Gute Nacht.

 

 

 

 

 

 

 

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