Technik oder Können
- thomasvonriedt
- 23. Jan.
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 24. Jan.

Nicht immer entscheidet Technik über Sieg oder Niederlage. Wie fahrerisches Können mit Euroschrott den Sieg über Scott, Giant und andere teure Fahrräder sicherte und besonders einen Vater glücklich machte.
Euroschrott oder Können?
Auch in den späten 1980er-Jahren war es für Eltern nicht einfach, die durch gezielte Werbung hervorgerufenen Wünsche der Kinder zu befriedigen. Zwar besaßen die Kinder noch keine Handys, um den ach so klugen Influencern zu folgen, und auch TikTok war noch nicht geboren, doch die Anbieter von „Must-have“-Produkten fluteten die Briefkästen mit Bergen von Prospekten.
War man in den 1950er/1960er-Jahren noch zufrieden mit einem Dreigang-Fahrrad, so wurde auch damals daraus schnell ein Wunsch für ein Fünfgang-Rad, später sogar ein Rennrad. Insofern hat sich eigentlich nichts geändert: Wünsche wurden schon immer durch Werbung geweckt. Der Vergleich mit anderen ist eine Frage der gesellschaftlichen Zugehörigkeit, und mangelndes Selbstbewusstsein kann man zumindest für einen kurzen Moment durch finanzielles Engagement ausbalancieren.
Eltern sind dabei gefordert, und manchmal gibt der geplagte Vater den Wünschen nach. Diese Situation lässt sich gut mit dem Sprichwort „Steter Tropfen höhlt den Stein“ beschreiben, wobei darauf hingewiesen werden sollte, dass nicht nur die Nerven, sondern auch der Geldbeutel leidet. Den Wunsch, den man einst selbst hegte, sieht man schließlich gern im eigenen Sohn erfüllt. Warum sollte er mit einem unendlich schweren, englischen und selbst erstandenen Fahrrad für 10 Franken zur Schule fahren? (Anmerkung: Altpapier und Metall sammelte in den 1990er-Jahren niemand mehr, und die Mutter wie auch die Großmutter wären entsetzt gewesen. Was denken bloß die Nachbarn?)
Was tun Eltern, die um das Seelenheil des Juniors besorgt sind?
Sie informieren sich über die Kosten eines zeitgemäßen Fahrrads, das den aktuellen Anforderungen entsprechen könnte. Dann erstellen sie ein Budget und sammeln Coupons, die man als Anzahlung verwenden kann. Nach monatelangem Suchen zeichnete sich eine mögliche Lösung ab: Ein Anbieter bot ein 18-gängiges Mountainbike für deutlich weniger als 1000 Franken an. Solide gebaut, in frischen Farben (rot-weiß-grün), sogar mit Gepäckträger, Fahrradpumpe und Getränkeflasche.
Ein solches Fahrrad müsste den physischen Anforderungen eines zehnjährigen Sohnes genügen. Die Konstruktion ließ vermuten, dass der Vater im Notfall selbst Reparaturen vornehmen oder zumindest dem Sohnemann Hilfe zur Selbsthilfe gewähren könnte. Bei einem E-Bike im Jahr 2025 erscheint mir das nahezu unmöglich.
Wenn nur der hohe Preis nicht gewesen wäre, doch der Großmarkt hatte klare Absichten: Marktanteile ausbauen, Kunden ins noch ländliche Bachenbülach locken. So senkte er den Preis aufsage und schreibe 450 Franken – das passte schon eher ins Budget. Es kam, wie es kommen musste: Ein Sonderverkauf wurde angekündigt, und das besagte Fahrrad war für nur noch 300 Franken zu haben. Nichts hielt den Vater jetzt mehr zurück. Mit einem Coupon über 150 Franken in der Brieftasche fuhr er „was gisch, was häsch“ nach Bachenbülach, holte sich das Schnäppchen ab und stellte sich an der Kasse an. Der Kassierer teilte die Überlegungen des Käufers jedoch nicht und lehnte den Coupon ab. Daraufhin konterte der Vater mit einer geschliffenen Antwort und wies darauf hin, dass das Unternehmen es versäumt habe, die Gültigkeit des Gutscheins zu begrenzen. Außerdem stünde nirgends, dass keine weiteren Nachlässe bei reduzierten Preisen möglich seien. Kassierer und Vater einigten sich darauf, den Geschäftsführer zu rufen.
Die Verärgerung war dem Geschäftsleiter anzusehen, doch er musste zähneknirschend zugeben, dass der aufmerksame Käufer recht hatte. Ich hatte einen klaren Sieg errungen.
So kamen 18 Gänge für 150 Franken nach Hause. Der „Göppel“ wurde begeistert begrüßt, und das Strampeln wurde zum echten Kinderspiel. Zu dieser Zeit fuhren die Kinder zur Schule und zurück, auf den Spielplatz und zurück. Sie saßen fest im Sattel und legten jeden Tag viele Kilometer zurück. Super Mario steckte entweder im Schulranzen oder in der Jackentasche. Kurz gesagt: Die Kinder waren in erfreulicher Fitness. (Anmerkung: 2025 schieben behelmte Kinder ihr Fahrrad mit der rechten Hand die Straße hinauf, während sie in der linken Hand ein iPhone halten, das ihnen die neuesten Trends zeigt.)
Die Zeit verging, und es mehrten sich die Hinweise beim Abendessen, dass doch alle, ich betone alle, richtige Fahrräder besäßen. Hm? Ja, wirklich: Alle hätten ein Giant, Wheeler oder Ähnliches – nur er nicht. Dem nicht genug: Der Junior konnte präzise die klaren Vorteile anderer Räder gegenüber seinem Vehikel erklären, ja gar beweisen. Eine schier endlose Geschichte, die sich über viele Abendessen hinzog. Wenn es darum ging, seine Wünsche durchzusetzen, bewies Junior Ausdauer und Zähigkeit. Warum nicht auch so bei den Hausaufgaben?
Irgendwann kulminierten die Diskussionen und es kam zum Ausbruch. Nie hätte ich gedacht, dass ich wegen meines Sinns für Sparsamkeit zum Fahren eines „Euroschrott-Fahrrads“ verdammt werden würde. Er sah sich als Paria von Riedt und Neerach und behauptete, wir Eltern würden von allen als Geizhälse angesehen – das sei doch peinlich oder eben „peino“. Tja, da waren wir nun gefordert, das Selbstwertgefühl des Kindes zu restaurieren, die Investition zu verteidigen und zusätzliche Ausgaben zu vermeiden.
Es wird oft behauptet, dass Väter immer das letzte Wort haben wollen. Das mag stimmen, und in manchen Lebenssituationen ist das ganz nützlich. Vorsichtig fragte ich, wer denn alles so ein großartiges Fahrrad besäße und was diese Räder alles zu bieten hätten. Jetzt lernte ich in einem Schnellkurs die Welt der Fahrradtechnik kennen, machte mich mit den Namen führender Marken vertraut und nickte hin und wieder verständnisvoll. Schließlich ging es darum, die Schwächen des zum „Euroschrott“ degradierten Mountainbikes zu ermitteln. Zugegeben, es hatte nur 18 statt 21 Gänge und war etwas schwerer zu tragen als andere Produkte. Ich wollte wissen, was man in der Schule so mit dem Fahrrad macht, und erinnerte mich schmunzelnd daran, wie wir damals Radball spielten, Rennen veranstalteten und besonders gern über Stock und Stein fuhren. Wie hätte mir damals so ein „Euroschrott“-Rad gefallen!
„Ja, wir machen meist ein Rennen von der Schule nach Hause“, hörte ich meinen Sohn begeistert erzählen. „Wer ist dann jeweils der Sieger?“, fragte ich etwas provozierend und war gespannt auf seine Antwort. Zu meiner totalen Erleichterung und noch größerem Stolz meinte er ganz cool: „Ich.“
„Das ist der Hammer, und ich gratuliere dir. Du siehst: Der Fahrer, nicht das Rad, ist entscheidend. Die Kraft, die Ausdauer und der Wille machen dich zum Sieger“, erinnerte ich mich, gesagt zu haben. „Das sind schöne Pfeifen, die dich trotz teurer Mountainbikes nicht schlagen können. Sei stolz, der Beste, trotz des technischen Handicaps zu sein.“
Das Fahrrad leistete noch ein paar Jahre treue Dienste.









Das ist natürlich meine Lieblingsgeschichte
😎
lg
T