Meinradus und der Drache
- thomasvonriedt
- 25. Nov.
- 21 Min. Lesezeit

1. Kroatien
In Kroatien gibt es einen See namens «Drachenauge», der mit einer Legende verbunden ist. Etwa alle 30 Jahre tritt dort ein Phänomen auf, bei dem sich die Wassersäule umwälzt, Schwefel freigesetzt wird und daraufhin alle lebenden Organismen im See sterben. Im Jahr 1997 betraf dies beispielsweise 20 000 Tonnen Organismen. Es ist kein Wunder, dass die Einheimischen an die Legende eines gefangenen Drachens im Berg glauben, dessen heisser Atem die Lebewesen im See vergiftet und den unangenehmen Schwefelgeruch verursacht.
Ich war kürzlich auf einer Rundreise durch Franken, als ich zufällig von einem Ort namens „Drachenauge“ hörte und mich näher damit beschäftigte. Tatsächlich bot ein kleiner Ort Wanderungen an, die das «Drachenauge» als Ziel hatten – einen bekannten Treffpunkt für Hexen in der Walpurgisnacht. Während ich vor dem Kiosk am Touristenbüro stand, kam ich mit einem Mann mittleren Alters ins Gespräch. Ich erwähnte, dass der Name der Sehenswürdigkeit meine Neugier geweckt hatte, besonders weil es in Kroatien etwas Ähnliches gibt.
„Kroatien ist nicht gerade das typische Drachenland“, sagte der Mann empört. „Die Jugos sollten sich lieber auf Cevapcici und Raznjici konzentrieren und ihren Slivovitz in Massen trinken; sonst erfinden sie noch mehr Schauergeschichten. Glaubt mir, ich weiss es besser. „Ich bin in der 23. Generation ein Nachkomme von Siegfried, dem berühmten Drachentöter, und er selbst war ein Nachfahre des berühmtesten Lindwurmtöters: St. Georg.“
Ich konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen, denn der Mann sah weder wie ein Kämpfer aus, noch gibt es in Franken tatsächlich Drachen. Überall gibt es wohl Menschen mit seltsamen Ansichten, dachte ich. Dennoch fuhr der Mann unbeirrt mit seinen Ausführungen fort und begann, sich mir vorzustellen.
2. Von Betzenstein
„Gestatten, ich stelle mich gerne vor: Mein Name ist von Betzenstein, Meinrad von Betzenstein, geboren 1972 in Franken, und ich bin von Beruf Messerschmied. Ich betreibe ein Geschäft für Haushaltswaren in einer mittelgrossen deutschen Stadt. Von dem Messerschmieden und -schleifen allein kann heute wirklich niemand mehr leben. In der Nähe meiner Stadt, im Wald, gibt es eine bekannte Felsformation, das Hexentor. Im Sommer wandern dort Touristen und hören allerlei gruselige Geschichten. Aber mal ehrlich, Hexentor? Zugegeben, man kann sich gut vorstellen, dass hier Hexen auf ihren Besen Rennen geflogen sind. Die Jüngeren haben das wohlgetan, bevor der grosse Chef sie zum Tanz rief.
Nein, das Tor ist tatsächlich das versteinerte Auge des schrecklichen Lindwurms Flamrum. Ihr glaubt es nicht? Dann lasst mich euch erzählen, wie es dazu kam. Aber zuerst muss ich erklären, was meine Familie damit zu tun hat. Einer meiner Vorfahren besiegte Flamrum in einem epischen Kampf und opferte dabei sein Leben für die Menschen. Seitdem dient meine Familie als Wächter, um den Drachen in seinem Verlies festzuhalten. Von Generation zu Generation wird der Sohn vom Vater in diese Pflicht und Verantwortung eingeführt. Seit Jahrhunderten pflegen wir im Geheimen unsere Waffen und Werkzeuge und sind jederzeit bereit, einzugreifen, wenn die Pflicht ruft.
Mit der Aufklärung und dem Fortschritt hat die Menschheit zwar die alten Kräfte vergessen, aber das bedeutet nicht, dass sie nicht mehr existieren. Man nimmt sie nicht mehr ernst und erklärt alles wissenschaftlich. So hat man vergessen, was hinter den Erdbeben, dem Himmelsleuchten und den unheimlichen Geräuschen im Wald steckt. „Und wenn wir versucht haben, es zu erklären, wurden wir als Fantasten abgetan.“
Ich setzte mich zu Meinrad, dem Messerschmied, auf die Steinbank am Rathausplatz, und er begann zu erzählen.
3. Geschichte
„Vor langer Zeit, als der Drache Fafnir sein Ende fand und sein Kopf an der Kaiserbrücke in Mainz bewundert werden konnte, übersah Siegfried, dass Fafnirs Bruder Fasolt in die heutige Fränkische Schweiz floh und sich in einer der vielen Höhlen versteckte. Siegfried wurde von Hagen ermordet, die Burgunder gingen am Hof von Etzel jämmerlich zugrunde, und alles geriet langsam in Vergessenheit. Gelegentlich beschwerten sich die Bewohner Frankens über Erdbeben und das Umkippen einiger Gewässer, bei denen alles Leben darin starb und die Luft nach Schwefel roch. „Niemand konnte sich erklären, was es war, nicht einmal die gelehrtesten Wanderer, und so gewöhnten sich die Leute an das Phänomen.“
Meinrad holte tief Luft und fuhr fort: „Es war während der Regierungszeit von Kaiser Karl I., als häufige Klagen aus Franken bis an seinen Hof in Aachen drangen. Boten kamen mit Bittschriften der örtlichen Autoritäten um Hilfe und berichteten von grausamen Vorfällen in der Gegend rund um Betzenstein. Bauern verloren viele ihrer Tiere durch einen geflügelten Unhold. Einige Tiere wurden auf grausame Weise gefunden – mit aufgeschlitztem Bauch und Kehle, ohne Herz und mit stark verkohlter Haut. Die christlichen Priester sahen dies als göttliche Strafe für das unzüchtige Verhalten der Bevölkerung an. Trotz Weihwasser und anderer Massnahmen hörten die Vorfälle jedoch nicht auf, und zwei Kinder verschwanden spurlos.“
Karl hörte geduldig zu. Als aufgeklärter Mensch seiner Zeit konnte er den Schauergeschichten kaum Glauben schenken und wollte es eigentlich auch nicht. Schliesslich führte er einen Kreuzzug gegen den Unglauben und kämpfte seit Jahren mit Schwert und Kreuz gegen die Sachsenhorden, die sich standhaft weigerten, den neuen Glauben anzunehmen und sich ihm, Karl, zu unterwerfen. Trotz härtester Strafen hielten sie Odin und den anderen Göttern die Treue und schworen, sie würden Mittel und Wege finden, den schrecklichen Fasolt auf die Franken zu hetzen.
Karl wusste, dass er etwas tun musste, um seine treuen Untertanen in Oberfranken zu schützen. Andererseits sah er keine Möglichkeit, in den kommenden Wochen selbst mit seinen Truppen einzugreifen. Widukind, der Sachsenfürst, bedrohte erneut seine Grenzen durch kleine, aber häufige Überfälle, bei denen Höfe und Felder niedergebrannt wurden, und die betroffenen Gebiete litten unter Hunger.
»Für Eure werten Leute aus Oberfranken sende ich Euch meinen besten Mann, der bereits erfolgreich andere Probleme für mich gelöst hat. Meinradus Miles stammt aus einem edlen Geschlecht im Süden und kennt Eure Dialekte und Bräuche bestens. Er wird sich persönlich um dieses Problem kümmern und mir direkt Bericht erstatten. Er soll jede benötigte Hilfe von Euch erhalten, ohne Widerspruch, und Ihr werdet rund um die Uhr für sein Wohl verantwortlich sein. "So sei es", rief Karl seinem Sekretär Einhard zu, der den Erlass sofort in ein schriftliches Dokument umsetzte.
Nach mehreren höflichen Verbeugungen und rückwärts die Pfalz verlassend, mit dem versiegelten Pergament im Gepäck, machten sich die Franken auf den Weg. Miles Meinrad und sein Knappe Hartmann sollten sich später zu ihnen gesellen.
4. Im Frankenland
Meinrad war der älteste Sohn von Meinrad dem Älteren, einer Familie mit ritterlicher Abstammung, jedoch zum niederen Adel gehörend. Ihr Stammsitz lag im heutigen Württemberg im Odenwald, wo seine Familie seit Jahrhunderten den deutschen Königen und Kaisern diente. Einer seiner Vorfahren kämpfte unter Karl Martell als Panzerreiter in der Schlacht von Tours und Poitiers, wo sie die Muslime besiegten und aus Spanien zurückdrängten. Als Belohnung erhielt er ein Lehen im Odenwald, eine heruntergekommene Festung, die erst nach vielen Jahren harter Arbeit wieder zu ihrem früheren Glanz zurückgebracht wurde.
Meinrad durchlief alle Stationen eines erstgeborenen Rittersohnes. Er lernte Lesen und Schreiben auf Latein, kannte bereits als Kind alle Waffen und konnte reiten, bevor er richtig laufen konnte. Die Ausbildung zum Ritter war hart, und er verbrachte viele Jahre am Hof der Familie Erffa im Landkreis Gotha, bis er schliesslich als voll ausgebildeter Panzerreiter in seine Heimat zurückkehren durfte. Seine herausragenden Fähigkeiten wurden auch am Hof des Kaisers bekannt, der ihn aufgrund von Empfehlungen in seine Truppen aufnahm.
Seit nunmehr fünf Jahren diente Meinrad treu Karl dem Grossen. Mit 20 loyalen Kämpfern begleitete er seinen Kaiser auf verschiedenen Kriegszügen gegen die Sachsen. Die Scharten an seinem Schwert und die Narben auf seinem kräftigen Körper zeugten von den grausamen Schlachten. Sowohl er als auch seine Männer waren der ewigen Kriegsführung überdrüssig, und Meinrad hatte um seine Entlassung gebeten. Zu Hause wartete seine Familie, darunter sein erstgeborener Sohn, den er noch nie gesehen hatte. Das Land musste bewirtschaftet werden, und sein Vater wurde nicht jünger.
Obwohl Meinrad seine Freude über die bevorstehende Rückkehr in die Heimat nicht zeigte, nahm er den Auftrag von Karl an. Er liess seine Männer zur Abreise rüsten, wobei alle Waffen überprüft und, wo nötig, repariert wurden. Es galt, ausreichend Proviant auf die Planwagen zu laden, ebenso wie alle Ausrüstungsgegenstände, Werkzeuge und Kochutensilien – alles, was die Panzerreiter nicht selbst auf ihren Pferden trugen.
Der Weg nach Franken war lang und beschwerlich. Sie mussten das unwegsame Gebiet des Westerwalds unbeschadet passieren, den Rhein in der Nähe von Frankfurt überqueren und dann durch das unheimliche Gebiet des Spessarts in Richtung Würzburg und Erlangen bis zur Region Betzenstein vorrücken. Besondere Vorsicht war im Spessart geboten. Viele hatten von dem grossen Schatz gehört, der in der Burgruine Altenburg von einer Frau in weissen Gewändern bewacht wurde. Man nannte sie die «Aaleborgfraale», und wehe dem, der in ihre Hände geriet.
5. Gold?
Nach beinahe vier Tagen erreichten sie endlich die Gegend um Erlangen. Die Dörfer wirkten beinahe verlassen, und es schien, als hätten die Bewohner sich in ihre Häuser zurückgezogen. Obwohl die Felder bewirtschaftet aussahen, war kein einziger Bauer bei der Arbeit. Einige Felder wiesen grosse schwarze Flecken auf, als ob dort Brände gewütet hätten. Es gab keine Spur von Tieren – weder Kühe noch Schafe – und nicht einmal das Zwitschern der Vögel war zu hören. »Seltsam«, bemerkte Meinrad zu seinem Knappen. „Lass uns dafür sorgen, dass wir Betzenstein noch vor Einbruch der Dunkelheit erreichen. »Mir scheint, das hier ist alles nicht geheuer.« Sie trieben ihre Pferde an, um möglichst schnell ins Dorf zu gelangen.
Als sie durch das Westtor in das Dorf ritten, empfand Meinrad den Ort als ein ärmliches Nest. Es schien, als lebten hier kaum mehr als 500 bis 700 Menschen. Mehrstöckige Fachwerkhäuser gruppierten sich um die zentrale Kirche mit ihrem schlanken Glockenturm. Links von der Kirche stand das Amtshaus des Bürgermeisters, und rechts davon residierte der Vertreter Gottes in einem soliden Steinbau mit einem grossen Kräutergarten. Sie banden ihre Pferde vor dem Haus des Bürgermeisters fest, und Hartmann zog kräftig an der bronzenen Türglocke. Die aufwendig verzierte Tür öffnete sich, und eine Delegation der Honoratioren, angeführt vom Bürgermeister Wellenbach, hiess sie willkommen.
„Meinradus Miles, seid herzlich willkommen mit Euren Männern. Wir danken unserem Kaiser Karl, dass er uns in dieser schwierigen Zeit unterstützt. „Bitte sagt uns, wie wir Euch helfen können.“ Meinrad erwiderte: „Zuerst würden wir gerne Quartier beziehen. Meine Männer sind durstig und hungrig, und ich selbst bitte Euch, mich bei einem Glas Wein über das Problem zu informieren. „Morgen wird genügend Zeit sein, uns der Sache anzunehmen.“ Während Hartmann die Männer zu einem Gasthaus mit einer grossen Scheune führte, wo sie die Pferde versorgen und sich stärken konnten, betrat Meinrad das stattliche Haus des Bürgermeisters. Bürgermeister Wellenbach bediente ihn persönlich, begleitet von seinem Sekretär Kuno, dem Polizeivorstand Dittersheim und dem Säckelmeister Kobelt.
»Lieber Herr Ritter«,“ begann Wellenbach, »seit einiger Zeit wird unser Dorf von einem Lindwurm heimgesucht. Regelmässig verwüstet er unsere Felder, tötet unser Vieh, und sogar zwei Kinder sind bereits verschwunden. Die alte Hildegard behauptet, es handele sich um Flamrum, einen Nachkommen von Fasolt und Urenkel von Fafnir ihr wisst schon, der grüne, schuppige Drache mit dem langen, gezackten Schwanz und den grossen, klauenbewehrten Flügeln.“ »Bitte, erzählt weiter, Bürgermeister«, sagte Meinrad und schüttelte leicht ungläubig den Kopf.
»Alles begann, als die Holzfäller im vergangenen Winter Bäume fällten und dabei den Eingang zu einer Höhle freilegten. Der Eingang war teilweise verschüttet und wurde von den Wurzeln eines mächtigen Baumes zusammengehalten. Nachdem sie den Baum gefällt hatten und die Zugpferde zogen, öffnete sich ein Spalt, gerade gross genug, dass ein schlanker Jüngling hindurchkriechen konnte. „Der Sohn des Forstmeisters, Luitpold, wagte es und arbeitete sich mit einem Kienspan in der Hand in die Tiefe vor.“
Der Bürgermeister holte tief Luft und fuhr fort: „Je tiefer er kam, desto mehr gebleichte Tier- und sogar Menschenknochen fand er. Langsam überkam ihn die Angst. Dann sah er etwas Glänzendes. Als er das Licht näher heranführte, erkannte er, dass es ein wertvolles Goldstück sein musste. Er hob den Kienspan höher und entdeckte, dass es weiter unten in der Tropfsteinhöhle wie ein See aus Gold aussah. Natürlich war es kein See, sondern eine gewaltige Ansammlung von Schätzen, die das schwache Licht reflektierte. Luitpold bekam es mit der Angst zu tun und eilte zurück an die Oberfläche.
»Was er nicht sah, war der schlafende Drache Flamrum, der von seinem Reichtum überdeckt im hinteren Teil der Höhle lag.“
»Als Luitpold wieder oben war, berichtete er völlig ausser Atem und zitternd von dem, was er gesehen hatte. Der Forstmeister vermutete, es könnte ein Teil des Burgunderhorts sein, den sie damals in den Rhein geworfen hatten, während sie einen anderen Teil auf dem Weg zu Etzels Burg in Ungarn mitnahmen. Sie beschlossen, ins Dorf zurückzukehren und zunächst darüber zu schlafen. „Um den Schatz zu bergen, würden sie ohnehin mehr Licht, Zugtiere und Werkzeuge benötigen, um den Eingang freizumachen.“
6. Erwachen
Bürgermeister Wellenbach liess noch mehr Wein bringen, denn das Erzählen hatte ihm den Hals ausgetrocknet. Die Honoratioren zögerten nicht, den Wein zu geniessen, obwohl der Bürgermeister sonst als sehr sparsam galt. Dann fuhr Wellenbach fort: „Die Holzfäller beschlossen, sich auszurüsten und den Schatz zu bergen. Luitpold sollte die Pferde bewachen, während der Forstmeister und seine Gesellen in die Höhle hinabstiegen. Was genau dort unten geschah, weiss niemand. Luitpold sass auf dem Bock, kaute auf einem Grashalm und langweilte sich. Er hätte gerne mit den Männern hinuntergehen wollen, aber jemand musste die Pferde bewachen, und er war nun einmal der Jüngste.
Plötzlich begann der Boden zu zittern, und ein donnerndes Geräusch drang aus der Tiefe. Rauchschwaden stiegen aus der Spalte empor, beissend und schweflig. Die Pferde begannen wild am Geschirr zu zerren, und Luitpold hatte Mühe, sie zu bändigen. Als die Spalte schliesslich aufbrach und gewaltige Mengen Rauch freisetzte – es roch nach Verwesung und Schwefel –, rissen sich die Pferde los und galoppierten davon. Luitpold versuchte verzweifelt, die Zügel festzuhalten, als plötzlich Flammen aus der Spalte schossen. Er war sich sicher, dass der Teufel selbst ihn verfolgte. Ohne zurückzublicken, sprang er vom Bock und rannte um sein Leben.
Mit einem donnernden Brüllen befreite sich Flamrum und spie Feuerbälle aus, die das umliegende Buschwerk rund um den Eingang in Brand setzten. Dann breitete er seine klauenbewehrten Flügel aus und erhob sich in die Luft, flog in Richtung des Kammerweihers und spie dabei Feuer in die Tiefe. „Der Drache verfehlte den fliehenden Luitpold nur knapp und flog dann mit lautem Flügelschlag weiter zum Weiher.“
»Das muss erschreckend gewesen sein«, bemerkte der Säckelmeister. „Ich sah den Jungen kommen. Er konnte die Pferde kaum noch bändigen. Als er durchs Tor fuhr und den Wagen stoppte, fiel er vor Erschöpfung und Schreck vom Bock. Als ich ihn fragte, was vorgefallen sei, stammelte er nur: „Sie sind alle tot, der geflügelte Teufel hat sie geholt, und er spuckt Feuer.‘ Luitpold sass nur da und zitterte wie Espenlaub. „Man konnte ihm kein vernünftiges Wort mehr entlocken.“
Wellenbach fuhr fort und erklärte, dass der Forstmeister und seine fünf Gesellen nie wiedergefunden wurden. Der Wald war verkohlt, und der Spalt hatte sich wieder geschlossen. Einige Stellen des Felsens waren sogar angeschmolzen. Luitpold war von einem Nervenfieber befallen und sprach tagelang von dem grünen Drachen, der seinen Vater und die anderen mitgenommen hatte. Er beschrieb ihn genauso, wie man sich den Teufel vorstellt. Er schwor, nie wieder in den Wald zurückzukehren und eine andere Arbeit zu suchen. Nach Wochen der Genesung fand Luitpold Arbeit als Hilfskraft im Gasthaus ‹Zum Fröhlichen Zecher›. Seither ziert ein silberweisser Streifen sein dunkles Haar, und wenn ihn jemand danach fragt, verstummt er.
In den folgenden Wochen und Monaten häuften sich die Vorfälle in der Umgebung. Der Drache wurde immer wieder gesichtet, plünderte und verschleppte Tiere. Niemand wollte wissen, wo sein Versteck war, und niemand hätte den Mut gehabt, sich dem Ungeheuer entgegenzustellen. Nur die alte Hildegard plapperte auf dem Markt von Dingen, die niemand ernst nahm.“
7. Vorbereitungen
Meinrad schlief trotz der unheimlichen Geschichte gut. Er war von der anstrengenden Reise erschöpft, und der Wein tat sein Übriges. Am Morgen informierte er Hartmann und seine Soldaten und fragte: „Seid ihr bereit, euer Leben für Kaiser und Vaterland zu geben? Seid ihr bereit, gegen das teuflische Geschöpf zu kämpfen und die Bürger von dieser Plage zu befreien? Es könnte euer Leben kosten!« Bei einigen keimten Zweifel auf, und vielleicht verspürten sie auch etwas Angst, doch letztendlich siegte die Aussicht auf Ruhm, Ehre und fürstliche Belohnung.
Entschlossen bereiteten sie sich auf den Kampf vor und planten, das Ungeheuer mit List zu besiegen. Die alte Hildegard informierte sie, dass Flamrum äusserst schlau und vorsichtig sei, und dass sein geschuppter Körper den meisten Waffen widerstehen würde, es sei denn, die Lanzen und Schwerter seien aus Stahl geschmiedet und mit Weihwasser gesegnet. Er sei zudem sehr eitel – wahrscheinlich wie sein Vorfahre Fasolt – und nach so langer Zeit sicher hungrig. Luitpold erklärte sich nach langem Zögern bereit, die Kämpfer bis an den Waldrand zu führen, doch weiter wollte er sich nicht wagen.
Einige Tage später brachen sie auf. Je näher sie dem Wald kamen, desto mehr ausgebrannte Höfe und verwüstete Felder fanden sie. Stellenweise lagen die Überreste von Tieren, hauptsächlich Schafe, aber auch einige ausgeweidete Kühe. Nirgendwo war ein Geräusch zu hören, es schien, als wäre das Leben in dieser Gegend zum Stillstand gekommen. Die alte Hildegard rief ihnen noch nach, dass sie die Sonne zu ihrem Verbündeten machen sollten, aber sie konnten sich darauf keinen Reim machen.
Endlich erreichten sie den düsteren Wald. Luitpold sagte: „Bis hierher und nicht weiter. »Den Spalt, durch den ich gekrochen bin, findet ihr sicher allein.« Die Männer stiegen von ihren Pferden und führten sie am Zaum. Meinrad marschierte an der Spitze, gefolgt von seinen 20 Männern, während Luitpold am Waldrand zurückblieb.
Etwa eine Stunde später bemerkte Meinrad eine gerodete Stelle im Wald. Ringsum waren Brandspuren zu sehen, als ob ein grosses Feuer gewütet hätte. Der Boden war an einigen Stellen wie Glas geschmolzen, was auf enorme Hitze hinwies. Schliesslich fanden sie den Spalt im Boden – die Höhle. Meinrad rief seine Männer zusammen und liess sofort einen Verteidigungsring aufstellen. Die Männer sicherten alle Seiten ab, während er mit Hartmann die Höhle erkundete.
»Hartmann, nimm ein paar Pechfackeln, die kurzen Spiesse und das Schwert mit«, befahl Meinrad, und dann begannen sie den Abstieg in die Dunkelheit.
Mit jedem Schritt wurde es dunkler, und der Gestank von Schwefel und verbranntem Fleisch wurde stärker. Nach einigen Minuten fanden sie die ersten Leichname – verbrannt und verstümmelt, mit fehlenden Gliedmassen; einem fehlte ein Arm, einem anderen der halbe Schädel. Weiter unten lagen weitere Opfer, ebenfalls grausam verstümmelt und verbrannt. Waldtiere hatten die letzten Fleischreste abgenagt, und die Schädel starrten mit leeren Augenhöhlen in die Dunkelheit. Vom Gold war fast nichts mehr zu sehen, nur einige wenige Münzen waren übrig.
„Luitpold hat also nicht gelogen. Hier hat etwas Schreckliches stattgefunden. „Die Toten verdienen eine bessere Ruhestätte als diesen Ort“,“ flüsterte Meinrad. Dann kehrten sie um.
8. Plan
„Meine Herren,“ begann Meinrad, „ich habe einen Plan ausgeheckt, den ich euch nun erläutern werde. Aber zuerst sollten wir die Toten bergen. Der Junge wird sie zusammen mit den Pferden bewachen.“ Da es bereits langsam dunkel wurde, beeilten sie sich, um noch bei Tageslicht den Waldrand zu erreichen. Luitpold war erleichtert, dass er nicht mehr allein an diesem schrecklichen Ort warten musste. Die Leichen der Holzfäller bedeckten sie mit Tüchern und legten Steine darüber, um sie vor Tieren zu schützen. Dann suchten sie nach einer Unterkunft für die Nacht. In der Nähe gab es einige halb zerstörte Gebäude, die sie als Schlafplatz nutzen konnten. Als erfahrene Soldaten arrangierten sie sich schnell mit den Gegebenheiten, und bald brannte ein gemütliches Feuer in der Küche eines alten Hofes.
»Also, mein Plan, um den Wurm zu besiegen, lautet wie folgt: Zuerst müssen wir seinen neuen Unterschlupf finden. Vor dem Höhleneingang platzieren wir dann einen Köder, dem er nicht widerstehen kann. Ich werde als Köder in die Höhle gehen, um ihn aufzuspüren und herauszulocken. Ihr werdet draussen in einem Halbkreis Stellung beziehen. Lanzen sollen im Boden verankert und auf den Eingang gerichtet sein. Dabei verwenden wir die langen Lanzen mit gesegneten Spitzen, denn nur diese können seinen Schuppenpanzer durchdringen. Ausserdem bauen wir eine Falle mit einem Langschwert, um ihm den Kopf abzuschlagen, sobald er aus der Höhle tritt. Zusätzlich poliert ihr eure Schilde auf Hochglanz. Ich habe nun verstanden, was die alte Hildegard meinte:
„Mit den polierten Schilden werden wir das Sonnenlicht reflektieren und ihn blenden.“
Natürlich gab es Zweifel, und es gab keine Garantie auf einen Sieg über den Drachen. Andererseits, wenn sie es nicht versuchten, würden sie ihre Chance verpassen. Einige der Soldaten schliefen in dieser Nacht unruhig. Mehrmals sahen sie Flamrum am Himmel Feuer speien, während er nach frischem Fleisch suchte, und sie hörten sein schreckliches Geschrei, das in den Ohren schmerzte. Für die meisten Landsknechte verkörperte er den Luzifer höchstpersönlich, und sie bekreuzigten sich vorsorglich. Luitpold konnte nicht hinsehen und versteckte sich unter dem Heu, die Finger fest in den Ohren.
Meinrad bemerkte, dass der Drache immer aus dem Osten kam und dorthin zurückflog.
9. Falle
Am Morgen standen die Männer müde auf. Keiner von ihnen hatte ausreichend oder genug geschlafen. Albträume hatten sie gequält, in denen sie von spitzen Klauen zerrissen und vom Feuer verzehrt wurden, elendiglich in einem stinkenden Drachenloch zugrunde gingen. Meinrad erkannte die Zweifel in ihren Gesichtern und befahl seinen Männern, sich im Kreis für ein gemeinsames Gebet aufzustellen.
Luitpold wurde angewiesen, alle Pferde zusammenzutreiben und sie an einem sicheren Ort bereitzuhalten, bis sie zurückkehrten. Dann nahmen die Männer ihre Waffen und Werkzeuge und machten sich auf den Weg. Meinrad führte sie ostwärts durch den Veldenheimer Forst in Richtung des grossen Weihers. Er wusste, dass der Weg dorthin an einigen Felsabbrüchen vorbeiführte, an steilen Wänden aus Kalk und Mergelstein. Es war ein unwegsames und abgelegenes Gelände, umgeben von Sumpf, Wald und dem Fluss. Er stapfte tapfer voraus. Die Pegnitz und ihre Zuflüsse hatten sich hier über Jahrtausende hinweg durch die Felsen gegraben und tiefe Schluchten hinterlassen. An manchen Stellen war der Weg eng und dunkel, an anderen breit und leichter passierbar.
Nach einiger Zeit mahnte Meinrad seine Mitstreiter zur Ruhe und befahl ihnen, eine Rast einzulegen.
„Verweilt hier, Männer. Ich werde mich umsehen. Die Drachenhöhle ist gleich vor uns, und ich möchte herausfinden, wie wir unseren Plan am besten umsetzen können. „Hartmann, du begleitest mich.“ Sie kletterten über umgestürzte Baumriesen und moosbewachsene Felsbrocken und kämpften sich durch stachelige Büsche, bis sie schliesslich vor einem gewaltigen Höhleneingang standen. Ein ungastliches Loch, das bestialisch nach verwesendem Fleisch und Schwefel stank. „Hartmann, was denkst du, wo ist der beste Ort für unsere Schwertfalle?“
Hartmann, der selten viel sprach, inspizierte den Höhleneingang und suchte nach Befestigungspunkten für die Konstruktion. Dann nickte er bedeutsam. „Ja, ich denke, ich habe eine Idee. Wir benötigen einige lange junge Bäume, ein paar Seile und Nägel. Die Falle sollten wir am Lagerplatz zusammenbauen und dann mithilfe von vier Männern platzieren. Die anderen sollen uns währenddessen absichern.“ Während sie sprachen, drang ein Schnauben aus der Höhle, und gelegentlich stieg Rauch auf. Es schien, als ob Flamrum schlief und träumte.
Sie kehrten zum Lagerplatz zurück, und Hartmann begann sofort mit dem Bau der Falle. Meinrad bewunderte ihn als einen wahren Ingenieur. Mithilfe von zwei grossen Schwertern konstruierte er eine Art Fallbeil, das an einem starken Seil befestigt und von einem schweren Gewicht heruntergezogen werden würde, sobald der Drache auf die Bodenplatte trat. Das Fallbeil war rasiermesserscharf, aus gehärtetem Stahl und in geweihtem Wasser abgelöscht. Zusätzlich hatte der Dorfschmied christliche Symbole auf die Schwerter graviert, um ihnen noch mehr magische Kraft zu verleihen.
10. Kampf
Endlich war die Maschine am Eingang fest installiert. Die Druckplatte am Boden wurde mit Aas und Dreck bedeckt, der Seilzug gespannt und mit einem Felsbrocken gesichert. Sie mussten leise arbeiten, die Hämmer waren mit Stoff umwickelt, um den Lindwurm nicht zu wecken. Dann begaben sich die Männer an ihre vorher festgelegten Positionen. Sie rammten die Lanzen in den Boden und hielten sie schräg angewinkelt mit beiden Händen.
Davor platzierten sie ihre polierten Schilde und richteten sie gegen die Sonne. Sollte der Wurm herausstürmen, würde er von einem Meer aus reflektierenden Sonnenstrahlen geblendet und in die Spiesse getrieben werden – falls die Enthauptungsmaschine nicht funktionieren sollte. Die Schilde sollten die Männer auch vor seinem feurigen Atem schützen.
Hartmann war für die Bedienung der Konstruktion verantwortlich. Er hatte die wichtige Aufgabe, das schwere Gegengewicht im richtigen Moment auszulösen, falls der Drache auf die Druckplatte treten sollte. Er war die Rückversicherung, für den Fall, dass die Druckplatte versagen sollte. »Gott sei mit Euch, Meinradus Miles«,“ flüsterte Hartmann, und die Männer bekreuzigten sich, als Meinrad in den dunklen Eingang trat.
Er bot sich selbst als Köder an – ihm schien das besser als ein fettes Schaf vor der Höhle. Man sagt, Drachen bevorzugen Menschenfleisch, weil es zarter und süsser sei. Vorsichtig und das Schwert in der Hand drang Meinrad in die Dunkelheit vor. Die Luft stank erbärmlich, überall lagen Knochen und Unrat herum. Schliesslich öffnete sich vor ihm eine große Kaverne. Am anderen Ende schien sich etwas zu bewegen. Er hörte ein rasselndes Einatmen, gefolgt von einem pfeifenden Ausatmen. Das Monstrum war noch nicht zu sehen, doch es war ein feines metallisches Klingen zu hören.
Könnte es eine Kette sein? Vorsichtig schlich er weiter, vermied jeglichen Kontakt mit dem fauligen Wasser am Boden und umging die überall herumliegenden Kadaver. Wieder ertönte dieses metallische Klicken, als ob jemand versuchte, sich aus einem Käfig zu befreien.
»Hallo, ist da jemand?«, rief er mit gedämpfter Stimme. Das Geräusch hörte sofort auf. Er tastete sich weiter vor. Als er um eine Biegung kam, sah er die beiden vermissten Kinder in einem riesigen Metallkäfig. Sie waren zu klein, um den Riegel zu erreichen, und versuchten, ihn mit ihren Gürtelschnallen zu öffnen. Die Schnallen klirrten gegen die Eisenstäbe und verursachten das metallische Geräusch. „Kinder, ich komme, haltet durch“, signalisierte er ihnen.
Der Drache war anscheinend an das Geräusch gewöhnt und konnte nicht gestört werden. Die Kinder mussten wochenlang in Gefangenschaft gelitten haben und sahen erbärmlich und schmutzig aus. Zumindest hatten sie offenbar stets genug zu essen.
Meinrad schlich sich an den Käfig heran, bedeutete den Kindern mit einem Finger auf den Lippen, leise zu sein, und öffnete vorsichtig den Riegel. Er nahm ein Kind an der Hand, das andere klammerte sich daran, und er führte sie bis zur Biegung. Dann befahl er ihnen, so schnell wie möglich nach oben zu klettern. Die Männer würden sie bereits in Empfang nehmen und schützen. Mit weit aufgerissenen Augen und offenem Mund nickten die Kinder und eilten sofort nach oben. An die Dunkelheit gewöhnt, bewegten sie sich rasch durch die Höhle und fanden bald den Ausgang.
Meinrad kehrte zurück und begann absichtlich Lärm zu machen, um das Tier zu wecken. Er schlug mit seinem Schwert auf die Steine und lief dabei beinahe in sein Verderben. „Jesses Maria, der Flamrum!“ rief er, als sich plötzlich ein bösartiges Auge mit gespaltener Pupille vor ihm öffnete. „Komm her, du elender Wurm! Du Abkömmling der Hölle! Ich bin Meinradus Miles und bin gekommen, um dir ein Ende zu setzen!“
Der Lindwurm hob seinen gehörnten Kopf, öffnete seinen Rachen und liess die zweigeteilte Zunge durch die Luft gleiten. Unter fürchterlichem Fauchen antwortete er: „Was willst du, kleiner Mensch? Weisst du, wer ich bin? Du kennst meinen Feueratem wohl bisher nicht. Ich fürchte mich vor nichts und niemandem. Von einem Meinradus habe ich noch nie gehört. Bald wird dich die Welt vergessen haben.“
Ohne Vorwarnung spie er einen Feuerstrahl in Richtung Meinrad, der sich gerade noch hinter einem grossen Felsen in Sicherheit bringen konnte. „Wo sind meine Kinderchen?“, brüllte Flamrum. „Hast du sie mir gestohlen?“ Er richtete sich zu voller Grösse auf, seine klauenbewehrten Flügel streiften die Höhlendecke, und er spuckte Feuer, das den Unrat in Brand setzte. Der Drache setzte sich mit seinem massigen Körper in Bewegung, und sein wild schlagender Schwanz schleuderte Felsbrocken aus den Höhlenwänden.
Es war höchste Zeit für Meinrad, sich in Sicherheit zu bringen. Flamrum spuckte wieder und wieder Feuer, während Meinrad geschickt jede Deckung nutzte. Mit seinem Schwert allein wäre er verloren gewesen. Er musste unbedingt den Ausgang erreichen. Der heisse Atem des Lindwurms brannte ihm fast die Haare und den Bart weg. Die schwere Rüstung wurde immer unbequemer, doch mit letzter Kraft erreichte er den Eingang, rannte über die Druckplatte und suchte Schutz hinter einem grossen Felsen.
11. Sieg
Unter den Anfeuerungsrufen seiner Soldaten suchte Meinrad hinter einem Felsen Deckung. Es war keine Sekunde zu früh, denn ein Flammenstrahl schoss über ihn hinweg.
Die alte Hildegard hatte recht gehabt: Flamrum war listig und schlau. Er verharrte im Eingang seines Unterschlupfs und beschoss die Soldaten mit Feuer. Zwei von ihnen wurden so unglücklich getroffen, dass sie ihre Lanzen fallen liessen und am Boden vor Schmerz wimmerten.
»Heraus mit dir, du Untier!« »Stell dich zum Kampf!«, rief Meinrad provozierend und zeigte sich erneut. Er hielt einen Schild zum Schutz vor den Flammen in der einen Hand und eine der gesegneten Lanzen in der anderen, mit der er Flamrum drohte. Schritt für Schritt ging er mutig auf das Untier zu.
Hartmann beobachtete aus seinem Versteck Meinrads Vorgehen. Er versuchte, den Drachen herauszulocken. Wenn es Meinrad gelänge, das Tier mit der Lanze zu stechen und zu reizen, könnten sie vielleicht den Plan umsetzen. Noch ein paar Schritte, und Meinrad stand unmittelbar vor dem Drachen, der seinen Kopf hin und her schwang. Die Augen glühten, die beiden spitzen Hörner glänzten giftgrün, seine scharfen Krallen gruben sich in den Boden, und sein Schwanz zuckte wie eine Schlange.
„Das ist dein Ende, Menschlein“,“ schnaubte Flamrum, „und nach dir werde ich mir deine Leute holen. »Die beiden Kinder hebe ich mir für später auf.»
In diesem Augenblick überschlugen sich die Ereignisse. Eines der Kinder tauchte hinter einem Felsen auf, was den Drachen für einen Sekundenbruchteil ablenkte, und Meinrad nutzte die Gelegenheit, um seine geweihte Lanze in die Seite des Drachen zu stossen. Flamrum liess ein fürchterliches Heulen los. Die Lanze, mit heiligem Wasser gesegnet, frass sich tief in seinen Leib.
Der Drache stürzte nach vorn, wodurch sich die Lanze noch tiefer in seine Flanke bohrte und ihn umso wütender machte. In der Zwischenzeit stellten die Soldaten ihre Schilde in die Sonne und reflektierten das göttliche Licht auf sein Gesicht. Völlig geblendet und ausser sich vor Schmerz kroch Flamrum einen Schritt nach vorn und trat dabei auf die verdeckte Druckplatte, die den Mechanismus auslöste.
Der Schmerz in seiner Flanke liess ihn zusammenzucken. Er zog seinen Kopf zurück, ein Flammenstrahl schoss in die Luft, und geblendet von den Sonnenstrahlen bemerkte er die Enthauptungsschwerter nicht. Er hörte jedoch das Zischen der Schwerter und das Rattern der Konstruktion. Gerade im richtigen Moment drehte er sein Haupt zur Seite, als die Schwerter zuschlugen. Anstatt ihn zu enthaupten, rasierten die gesegneten Klingen sein linkes Auge ab, mitsamt dem Augenbogen und den grünen Brauen. Ein Grossteil seiner rechten Kopfhälfte wurde weggeschlagen.
Der Schmerz liess ihn toben. Er schlug unkontrolliert mit seinem Schwanz um sich und versprühte Flammen, ohne zu zielen. Seine Flügel bewegten sich wild, und unter Brüllen und Heulen zog er sich in seine Höhle zurück.
Der Höhleneingang stürzte zusammen, das abgeschlagene Auge lief aus und verbrannte den Boden rundherum. Der Körper des Drachen begann zu erstarren. Der Kampf war vorüber. Die erschöpften Männer sanken zu Boden und priesen den Herrn.
12. von Betzenstein II
„So, nun kennt ihr die Geschichte, wie der Felsenbogen im Forst entstanden ist“,“ erzählte Meinrad weiter. »Von wegen Hexen und so – alles nur Geschwätz und billige Schauergeschichten für die Touristen. Der Drache ist nicht tot; die Lanze steckt immer noch in seiner Seite und hält ihn gelähmt in seinem unterirdischen Gefängnis. Wo das Gold ist, weiss niemand.
Meinradus Miles fand in beiden Höhlen nichts. Er und seine tapferen Mannen kehrten mit den Kindern und Luitpold ins Dorf zurück, wo sie von den Honoratioren und Bürgermeister Wellenbach begeistert gefeiert wurden. Dank der grosszügigen Belohnung vom Kaiser und den Dorfbewohnern konnten sie sich alle zur Ruhe setzen. Meinradus liess sich die nahe Burg Betzenstein erbauen und starb im hohen Alter als angesehener Mann und heroischer Drachentöter.
Seit diesem Tag werden alle Erstgeborenen von Betzenstein in das Geheimnis von Flamrum und seiner Bekämpfung eingeweiht. „Heute hüte ich die Waffen und Werkzeuge, und sollte das Scheusal eines Tages ausbrechen wollen, weiss ich, wie man es verhindert.“
13. Schluss
Als ich die malerische Ortschaft Betzenstein verliess, war ich überzeugt, dass uns der liebe Meinrad nicht die ganze Wahrheit gesagt hatte. Er kannte mit Sicherheit den Aufenthaltsort des Schatzes, doch als Hüter eines alten Geheimnisses war es seine Pflicht und Absicht, zu verhindern, dass erneut Unheil über Land und Leute hereinbricht. Meinrad musste zweifellos den Zugang zur Höhle kennen, und er und sein Erstgeborener überwachten sicher regelmässig, ob der Drache immer noch regungslos in seiner Höhle lag.
Ein Kampf gegen den Drachen wäre auch heute noch äusserst riskant, und einige Gegner lassen sich nicht mit herkömmlichen Waffen oder Bomben besiegen. Abgesehen davon würde wohl keine Behörde eine solche fantastische Geschichte glauben, und der Erzähler würde als verrückt eingestuft werden.
So fuhr ich durch die wunderschöne Landschaft vulkanischen Ursprungs. Am späten Abend sah ich den Himmel in Flammen stehen, und ein Grollen aus der Tiefe liess den Boden leicht erzittern.
Lebt Flamrum etwa noch?
P.S. Auch in der Schweiz gibt es zwei Lindwürmer, in der Beatushöhle und im Bergsee am Pilatus.










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