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Max und der Ketchup Zwischenfall

  • thomasvonriedt
  • vor 7 Tagen
  • 5 Min. Lesezeit
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Max war schon immer ein ambitionierter Golfer, ein Meister des Grüns. Von den ersten Sonnenstrahlen bis zum Einbruch der Dunkelheit fand man ihn auf dem Platz. Während andere Senioren gemütlich neun Loch spazierten, stellte sich Max auf die Range und drosch Ball um Ball in die Ferne. Zweihundert Bälle vor der Runde waren für ihn keine Spinnerei, sondern Aufwärmprogramm.

 

Manch einer der Senioren tippte sich mit dem Zeigefinger an die Schläfe, wenn er Max bei seiner täglichen „Golfball-Quälerei“ sah. Man kannte und bewunderte ihn aber auch. Wer bringt schon so viel Disziplin auf, Tag für Tag? Abgesehen von dieser Marotte war Max ein wohlgeschätzter Kollege: spontan, grosszügig, er liebte das gemeinsame Essen, ein Glas Wein danach – oder zwei – und war für jeden Scherz zu haben.

 

Trotzdem langweilte ihn der ewig gleiche Trott. Es waren immer die gleichen Flights, die gleichen Anekdoten am Tisch, die gleiche Tagessuppe im Clubrestaurant. Die Speisekarte hatte er längst rauf und runter durchprobiert; alles schmeckte ordentlich, aber irgendwann eben auch „immer gleich“. Max spürte, dass es Zeit war für etwas anderes, etwas Verrücktes.

 

„Ich bringe den American Way of Life in den Golfklub“, dachte er, als er abends allein im Klubhaus sass und auf sein Cordon bleu starrte. „Das passt doch besser zu uns als Klösse und Sauerkraut.“ In seinem Kopf begann sich ein Mega-Event zu formen.

 

Schon am nächsten Tag sprach er mit dem Wirt und dem Clubmanager. Der Wirt verzog erst das Gesicht – Ketchupflecken auf weissen Tischdecken waren sein persönlicher Albtraum –, aber Max versprach, alles zu organisieren und hinterher beim Putzen zu helfen. „Und ich bezahle die zusätzliche Reinigung“, setzte er noch obendrauf. Der Manager seufzte, sah auf die leeren Reservierungsbücher und gab schliesslich nach. „Na gut, Max. Aber keine Ketchup-Schlachten auf dem Putting-Grün, verstanden?“

 

Max strahlte. Die Vorbereitung konnte beginnen.

 

Er lud alle seine Golffreunde zu einer Runde mit anschliessender Grillparty ein. Die Einladungen waren originell gestaltet: ein Foto von Max in einem knallbunten Hawaii-Hemd auf dem Fairway, ein breites Grinsen im Gesicht, einen riesigen Hotdog in der Hand. Darunter stand:

 

„Sei dabei bei Max’ BBQ-Extravaganza!

Spiele um schöne Preise – und gönne dir die grössten Hotdogs, die du je gesehen hast!“

 

Die Resonanz war überwältigend. Alles, was Rang, Namen und Handicap hatte, meldete sich an. Die Senioren, die sonst über Rückenschmerzen und Stablefordpunkte diskutierten, sprachen nun über „Dresscode Hawaii“ und „Hotdog-Strategien“. Aus Golf-Mauerblümchen wurden Partydiven, Putting-Pflaumen trainierten heimlich Discofox, weil gemunkelt wurde, Max habe einen DJ gebucht.

 

Der Turniertag selbst verlief heiter, aber unspektakulär. Die eigentliche Magie begann danach. Als die Sonne langsam hinter dem 18. Grün versank, glühten bereits die Grillstationen. Max hatte keine Mühen und kein Geld gescheut: mehrere Gasgrills, Berge von Würstchen, frisch geröstete Brötchen, ganze Kisten voller Ketchup, Senf, Mayonnaise, Röstzwiebeln und Gurken. Der Duft zog über die Terrasse, und die hungrigen Golferinnen und Golfer strömten herbei.

 

Die Hotdogs waren tatsächlich enorm – so gross wie ein halber Driver, wie einer bemerkte. Die meisten hatten Mühe, das Ding überhaupt mit beiden Händen zu fassen. Max stand hinter dem Tresen im wildesten gesprenkelten Hawaii-Hemd, das der Klub je gesehen hatte, und verteilte Hotdogs im Akkord.

 

„Max, das ist doch Wahnsinn!“, rief der Clubpräsident lachend, während ihm Röstzwiebeln vom Teller rollten.


„Warte, bis du den Ketchup probiert hast“, antwortete Max und griff zu einer extragrossen Squeeze-Flasche.

 

Dann geschah es.

 

Max wollte demonstrieren, wie man „professionell“ Ketchup dosiert. Er schüttelte die Flasche etwas – vielleicht bis zu einem gewissen Grad zu kräftig –, setzte sie an und drückte. Nichts. Noch einmal. Nichts.

 

„Tja“, meinte er grinsend, „immer diese Billigflaschen…“

 

Beim dritten Versuch gab die Flasche nach. Mit einem feuchten Plopp schoss ein roter Strahl aus der Öffnung, prallte von seinem Hotdog ab und verteilte sich in einem perfekten Bogen – quer über sein eigenes Hemd, den Tisch und den Präsidenten, der genau in diesem Moment einen Schritt nach vorn gemacht hatte.

 

Für einen Augenblick wurde es still. Max sah an sich hinunter. Das einst bunte Muster seines Hemds war nun übersät mit roten Farbspritzern, dazwischen Senfgelb und ein paar weisse Mayo-Kleckse. Der Präsident betrachtete seine ehemals weisse Weste, die nun aussah, als hätte jemand moderne Kunst darauf ausprobiert.

 

Max blinzelte, schnaubte – und begann zu lachen.


„Na bravo“, sagte er. „Ich habe vielleicht keine geschickten Hände, aber ich bin ein echter Profi im Bekleckern. Mein Hemd könnte glatt ein Miró sein. Oder ist es eher Pollock?“

Die Spannung löste sich. Zuerst lachte jemand am Nebentisch, dann brach die Menge in schallendes Gelächter aus. Der Präsident griff, immer noch grinsend, nach der Senfflasche. „Wenn schon Kunst“, meinte er, „dann richtig!“ und setzte Max ein paar gelbe Akzente auf die Schultern.

 

Damit war der Damm gebrochen. Ein paar der Jüngeren begannen, sich gegenseitig mit minimalen Spritzern zu „verzieren“ – nur auf der Terrasse, weit weg vom Putting-Grün, wie Max es versprochen hatte. Die Party verwandelte sich in ein fröhliches Durcheinander aus Gelächter, Musik und Grillgeruch. Der DJ legte Klassiker der 70er und 80er auf, und wer sonst nur am Abschlag Schwung zeigte, wagte sich nun auf die Tanzfläche.

 

Die Feier zog sich bis in die frühen Morgenstunden. Es wurde gegessen, getrunken, getanzt, und immer wieder musste Max seine „Miró-Performance“ erklären. Irgendwann gegen zwei Uhr sass er mit ein paar hartnäckigen Nachtschwärmern auf der leeren Terrasse, die Hemdflecken inzwischen leicht angetrocknet, und schaute zufrieden über den Platz.

 

Als sich die letzten Gäste verabschiedeten, fühlte er sich müde, aber glücklich. Er hatte bewiesen, dass er nicht nur ein ambitionierter Golfer war, sondern auch ein hervorragender Gastgeber – einer, der es verstand, seine Freunde zu überraschen, zu unterhalten und etwas aus ihrem Alltag zu reissen.

 

Am nächsten Morgen stand der Wirt mit verschränkten Armen in der Tür.

„Also, Max“, begann er streng – und zwinkerte dann. „So sauber war die Terrasse noch nie. Deine Freiwilligen-Putzkolonne hat gute Arbeit geleistet. Und der Umsatz? Der war auch… „Rekordverdächtig.“

 

Max grinste. „Vielleicht sollten wir jede Woche einen Ketchup-Zwischenfall planen.“

„Einmal im Jahr reicht“, brummte der Wirt. „Aber du darfst gerne wieder die Organisation übernehmen.“

 

Wochen später tauchte ein Foto in einem regionalen Golfmagazin auf: Max im gesprenkelten Hawaii-Hemd, einen Hotdog in der Hand, umringt von lachenden Klubmitgliedern. Die Bildlegende lautete: „Wenn Senioren durchdrehen – BBQ im Golfclub.“

 

Es heisst, dass sein bekleckertes Hawaii-Hemd bald darauf zum trendigen Must-have der Saison für alle Szene-Gänger und Mode-Golfer wurde. Auf dem Platz sah man plötzlich bunte Shirts mit absichtlich aufgedruckten Ketchup- und Senfspritzern.

 

Und immer, wenn ein neuer Senior mit frischem Hemd und Hotdog über die Terrasse stolperte, fragte jemand in die Runde:

 

„Na, gibt’s heute wieder einen kleinen Ketchup-Zwischenfall – ganz im Stil von Max, dem Meister des Grüns?“

 

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