Duschen in the UK
- thomasvonriedt
- 23. Jan.
- 9 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 24. Jan.

Wenn einer eine Reise tut, kann er was erleben und wenn es nur das Duschen betrifft. Lies nach, was ich seinerzeit in Dorset erlebte.
Duschen in the UK
Warst du schon einmal in England und wolltest dort duschen? Nein, ich meine nicht in einem 4-Sterne-Hotel, sondern in einer typischen B&B-Unterkunft, wo man die Möglichkeit hat, in das Familienleben einzutauchen. Noch nie? Dann hast du etwas verpasst und solltest das unbedingt nachholen. Ich selbst habe dieses Land viele Male besucht und sogar längere Zeit dort gelebt. Dabei habe ich die vielen kleinen Eigenheiten kennengelernt und lieben gelernt. Ehrlich gesagt, all das hat seinen ganz eigenen Charme, und man gewöhnt sich überraschend schnell daran.
Die Menschen fahren auf der „falschen“ Straßenseite, das metrische System ist zwar bekannt, aber noch nicht vollständig umgesetzt. Auf allen Münzen lächelt die Queen noch immer als junge Frau, obwohl sie längst über 90 ist. Die „Roundabouts“, bei uns als Kreisverkehr bekannt, gibt es hier auch mehrspurig, und das Bier holt man sich immer noch selbst an der Bar. Natürlich ist das Pint randvoll gefüllt, es gibt keinen extra Schaum – wo kämen wir denn da hin? Das Essen hingegen wird am Tisch serviert, und so mancher ist überrascht, was die Restaurants heute alles zu bieten haben. Es gibt längst nicht mehr nur Fish and Chips.
Warum Orangenmarmelade hier „Marmelade“ genannt wird und alles andere als „Jam“, bleibt für viele Fremde ein Rätsel – aber Hauptsache, es schmeckt. Auch in der Mode stehen die Briten heute nicht nach. Die Carnaby Street war einst das Mekka der Modevordenker, und auf der Savile Row ließen sich erfolgreiche Gentlemen ihre Anzüge maßschneidern. Bis heute haben die Sakkos zwei Schlitze hinten. Auf dem Land sieht man hin und wieder Menschen, die zu ihren Gummistiefeln eine rosa-violette Krawatte tragen. Dazu gehört die Kultjacke von Barbour, und der Land Rover ist entweder grün oder blau.
Einfach charmant – ich liebe dieses Land und seine eigenwilligen, aber liebenswürdigen Menschen.
Ankunft in England
Vor nicht allzu langer Zeit war ich mit Familienmitgliedern im Land des milden Biers und des wechselhaften Wetters unterwegs. Der erste Tag begann mit einer langen Fahrt vom Flughafen London Heathrow in Richtung Westen. Wir fuhren in einem leicht abgenutzten Kleinbus, und nach einigen Kilometern – Entschuldigung, Meilen – mussten wir die Reifen aufpumpen. Natürlich kostet das Geld, aber wie bedient man diesen Pumpenautomaten? Wie viele Bar entsprechen den auf dem BSI angezeigten Werten? Oder muss man etwas anderes eingeben? Auch diese Herausforderung meisterte ich, und schon waren wir wieder auf der Autobahn unterwegs, bis wir schließlich auf eine A-Straße abbogen.
Später führte uns die Route über zweistellige und dreistellige A-Straßen, bis wir schließlich auf eine B-Straße abzweigten. Diese B-Straßen, so scheint es, existieren wahrscheinlich schon seit der Römerzeit. Meistens fuhren wir entlang hoher Hecken und konnten nur von der Autobahn aus, die Schönheit der Landschaft erahnen. Felder, Hecken, alte Dörfer und überall Schafherden – zauberhaft. Doch hatten die Schafe nicht einen traurigen Blick? Oder bildete ich mir das nur ein?
Endlich erreichten wir unser Ziel: eine Farm, ein Herrenhaus aus grauem Sandstein aus der elisabethanischen Zeit, mitten im Nirgendwo. Ich schleppte die schweren Koffer aus dem Van über den Kiesplatz und erklomm die steile Treppe zu den Zimmern im oberen Stockwerk. Schweiß tropfte von mir, mein Hemd war klatschnass. Aber was soll's.
Das Zimmer war bescheiden und bot kaum Platz, um meine Kleidung und Utensilien zu verstauen. Wo sollte ich bloß meine Zahnbürste und Zahnpasta unterbringen? „Nein, nein, in diesen Schrank lege ich meine Kleidung nicht“, dachte ich mir. „Sonst riecht sie nach Jahrhunderten von Staub und Schweiß. Wer weiß, wer hier früher gewohnt hat – vielleicht gibt es sogar Insekten.“ Tatsächlich fand ich später auf dem Boden kleine schwarze Kügelchen, die sich als Asseln herausstellten, die über den abgenutzten Teppich marschierten und sich vor Angst zusammenrollten. Eine langbeinige Spinne hing von der Decke, und meine Nase, die an die klinische Sauberkeit der Schweiz gewöhnt war, nahm einen feinen, aromatischen Duft von Hunden und Pferden wahr.
Ja, wir waren angekommen – auf einer Pferdefarm, tief in der Grafschaft Dorset, wo England noch wie das ursprüngliche England wirkte. Alles sah aus wie vor 40 Jahren, nur der Fernseher zeigte inzwischen farbige Bilder. „All Creatures Great and Small“ lief, und auf dem Hof stand ein Land Rover Discovery V6 Diesel – ganz standesgemäß.
An dieser Stelle will ich nicht weiter ins Detail gehen und einige Stunden unserer ersten Eindrücke überspringen, sonst würde diese Geschichte endlos werden.
Zeitsprung 1: Der Duschkampf am Sonntagmorgen
Es war Sonntagmorgen, 07:00 Uhr. Der Tag begrüßte uns durch die immer offenen Fenster, und es war frisch – das Zimmer war natürlich unbeheizt. Die Sonne versteckte sich hinter grau-blauen Wolken, die nach Regen aussahen und einen trüben Tag versprachen. Typisch britisches Wetter, nicht wahr? Ich hatte meine erste Nacht im knarrenden Doppelbett überstanden, trotz der schaukelnden Bewegungen und allem, was dazugehörte.
Plötzlich hörte ich einen leisen Hilfeschrei: „Die Dusche funktioniert nicht!“ Natürlich ließ ich meine liebe Frau nicht in ihrer Not allein und eilte ins Badezimmer. Da es für zwei Personen viel zu eng war, musste sie zuerst herauskommen, und ich stand vor einem Meisterwerk englischer Ingenieurskunst. So etwas gibt es in der Schweiz nicht, dachte ich. Früher wäre ein solches Gerät wohl aus leicht rostendem Metall gefertigt worden, aber heute spiegelte die polierte Kunstharz-Oberfläche das spärliche Licht der 20-Watt-Birne. Eine Leuchttaste lud zum Drücken ein.
Doch nichts geschah – kein kaltes, kein heißes Wasser, kein Brummen, kein Rattern. Es handelte sich um einen sogenannten Durchlauferhitzer. Das Gerät hatte uns offensichtlich im Stich gelassen, oder hatte es vielleicht nie funktioniert? „Durchlauferhitzer“ klingt ohnehin nicht besonders vertrauenerweckend, oder? Im schwachen Licht der Notbeleuchtung konnte man kaum etwas erkennen. Aber ich wollte kein Weichei sein, das so schnell aufgibt. Dieses Gerät würde ich schon bezwingen.
Im gedämpften Licht entdeckte ich mehrere Kordeln, die unterschiedlich lang an der Wand hingen. Sie waren doch zum Ziehen da, oder? Auch bei meiner Großmutter gab es solche Kordeln, um das Licht bequem ein- und auszuschalten, ohne das warme Bett verlassen zu müssen. Also zog ich an der längeren Kordel. Ein leises Knacken ertönte – doch nichts geschah. „Gut“, dachte ich mir, „dann eben etwas kräftiger ziehen“, und siehe da, das Licht ging an. Die 20-Watt-Birne tauchte das Badezimmer in einen gelblichen Schein, der die Farbe der sanitären Anlagen von schmutzigem Weiß zu einem etwas angenehmeren Elfenbein verwandelte.
Jetzt bemerkte ich, dass ich mich in einem kombinierten Badezimmer mit WC befand, allerdings ohne Badewanne. Die wichtigste Einrichtung – die Dusche – versteckte sich hinter einem schlaff herabhängenden, etwas schmuddeligen Nylon-Duschvorhang. Instinktiv griff ich nach der kürzeren Kordel. „Wenn die lange fürs Licht ist, muss die kurze wohl für das Wasser sein“, dachte ich. Ein kräftiger Zug, und mit einem Klick-Klack erwachte die Leuchttaste auf dem Durchlauferhitzer zum Leben, leuchtend in giftigem Grün. Ein Gurgeln, gefolgt von einem mechanischen Surren, verriet mir, dass Wasser bald aus der Brause fließen würde.
Vorsichtig trat ich aus dem direkten Aktionsbereich der Dusche heraus – man wusste ja nie, ob das Wasser eiskalt oder kochend heiß sein würde. Mein alter, aber noch immer französischer Luxuskörper sollte nicht unnötig gequält werden. „Du hattest recht, mein Lieber. Das kriegen wir hin“, sprach ich mutmachend zu mir selbst. Nun musste ich nur noch den Drehschalter zwischen der blauen und roten Markierung in die richtige Position bringen. Mit der Hand als Teststrecke spürte ich, wie das Wasser allmählich wärmer wurde. Endlich war es so weit: Ich wagte mich unter den warmen Wasserstrahl.
Zugegeben, es war weniger ein kräftiger Strahl als vielmehr ein sanftes Tröpfeln, aber es reichte, um meine Körperoberfläche nach einigen Momenten komplett zu benetzen. Jetzt war es Zeit das vom Vermieter zur Verfügung gestellte Duschgel zu verwenden. Ich verteilte es mit Vergnügen über meinen Körper, ließ es aufschäumen und genoss den Duft von Lavendel. Der Nachtschweiß war schnell abgespült. Lavendel war zwar nicht mein Favorit, aber die Alternative – Orangenblüte – hob die Stimmung sofort. „Splash it on!“, dachte ich mir, und ein Hauch von Spanien erfüllte den Raum.
Ganz in Gedanken versunken genoss ich das rhythmische Pumpen des Durchlauferhitzers und das sanfte Tropfen des Wassers. Es musste sehr kalkarm sein, denn meine Haare fühlten sich seidig an. Ich dirigierte die Wassertröpfchen über meinen Kopf, meinen Nacken, meine Schultern und weiter über den ganzen Körper. Ab und zu gab es eine kurze Abkühlung, gefolgt von einem intensiven Hitzeschock – aber ich hielt tapfer durch.
In diesem Moment bemerkte ich, dass meine liebe Frau noch immer halbnackt im kühlen Zimmer stand, das Handtuch um ihren Körper gewickelt und die nackten Füße auf dem vergilbten Vorleger. „Jetzt möchte ich aber auch duschen“, erinnerte sie mich freundlich, und damit war mein Duschritual offiziell beendet.
Zeitsprung 2: Frühstück und Duschgeschichten
Wir saßen beim Frühstück – Eier, Schinken, Speck, Würstchen, Bohnen und so weiter. Alles, was das Herz begehrte und die englische Küche zu bieten hatte. Es überraschte mich, dass niemand nach Haferbrei oder Porridge fragte.
Ich saß nun am großen Tisch der Gastgeber, die Haare frisch geföhnt und mit dem Haargel meines kurdischen Friseurs in Form gebracht. Der Duft von Orangenblüte und Lavendel vermischte sich mit dem durchdringenden Geruch des Pferdestalls. „Möchten Sie noch mehr Toast? Weiß oder dunkel?“, fragte die Gastgeberin, und wir griffen herzhaft zu.
„Diese Dusche – entweder man wird lebendig gekocht oder eiskalt konserviert“, hörte ich meine Familienmitglieder klagen. Ihre Haare standen noch ein wenig wild in alle Richtungen. Offenbar konnten sie keinen Kompromiss zwischen heißem und kaltem Wasser finden und verzichteten daher wohl auf die gründliche Morgentoilette. Auch im anderen Zimmer kämpfte man mit den Tücken der englischen Technik. Während des Frühstücks tauschten wir unsere Erlebnisse der letzten 24 Stunden aus, die die Unterschiede zwischen den beiden Ländern deutlich machten. Den Reisenden wurde bewusst, welchen hohen Standard sie zu Hause zurückgelassen hatten: keine Fragen nach Warm- oder Kaltwasser, ständiger Wasserfluss mit konstantem Druck von 2 bis 4 bar, Duschen zu jeder Tageszeit mit enthärtetem Wasser, das die Reinigung erleichtert. Einige prahlten sogar mit LED-beleuchteten Duschen, die das morgendliche Ritual in eine Art Disco-Party verwandeln. Der Wunsch nach heimischem Komfort war offensichtlich.
Zum Glück verstanden die Gastgeber unser Gespräch nicht, also lächelten wir höflich einander zu.
Der Mensch passt sich bekanntlich schnell an veränderte Bedingungen an – ob er will oder nicht. Nach zwei Nächten im kleinen Zimmer Nr. 2 wechselten wir in das größere Zimmer Nr. 3, das eine Badewanne und ein Zusatzbett bot. Zwar gab es dort keinen Duschschlauch, aber das tat der guten Absicht des Vermieters keinen Abbruch.
Am frühen Morgen schlich ich denn halbnackt und auf leisen Sohlen zurück in das freie Zimmer Nr. 2, um die vertraute Dusche zu nutzen. Das war schon etwas Besonderes – und im Preis inbegriffen. Außerdem genoss ich es, im Exil in einem Einzelbett zu schlafen, ohne die Schaukelbewegungen und das Knarren der alten Federbetten. Einige Nächte später wagte ich mich schließlich in die Etagendusche. Man sagt ja, dass „Teilen“ im Trend liegt und umweltfreundlich ist. Also schlich ich wieder frühmorgens durch die Gänge, ein Handtuch um die Hüften gewickelt, den Bauch eingezogen, und ab in die Gemeinschaftsdusche. Dort räumte ich zuerst den Staubsauger aus dem Weg und platzierte den Duschteppich mit seinen Saugnäpfen an der Wand der Kabine. Ich benutzte das englische Reinigungsmittel ausgiebig – vielleicht war es Meister Proper oder Cillit Bang? Sicherlich verloren dabei Millionen englischer Bakterien ihr Leben, die sich wohl ohnehin nicht mit unseren schweizerischen Bakterien verstanden hätten. Die Glaswände überließ ich ihrem Schicksal, denn es fehlte ein Schaber, um das Restwasser in den Abfluss zu befördern. Ich schraubte den Ablaufdeckel ab, löste etwas Schmieriges und Ekliges mit „Antigrease“ auf und spülte die seit Wochen festsitzenden Haarknäuel hinunter. „Wääh“, wirst du jetzt vielleicht denken, und meine Familie wohl auch. Aber ich konnte nur gelassen darauf hinweisen, dass die Leute in Indien am Straßenrand baden.
Den Durchlauferhitzer im Bad von Zimmer Nr. 2 sowie den in der Gemeinschaftsdusche hatte ich schließlich im Griff. Die grüne Leuchte sah mich nicht mehr so boshaft an, und sogar der Wasserdruck war stärker. Es schien, als hätte mich die Dusche endlich akzeptiert. Meine Frau hingegen wusch sich nur einmal in der schlauchlosen Wanne in unserem Zimmer. Als Zimmer Nr. 2 für eine Nacht belegt war und mir der Weg zur Gemeinschaftsdusche zu beschwerlich erschien, blieb uns keine andere Wahl. Die Tür zur Gemeinschaftsdusche verschloss ich nie, schließlich bestand keine Gefahr, in der Dusche überrascht zu werden – die anderen Hausbewohner hatten entweder längst geduscht oder taten es vermutlich nur einmal die Woche.
Das morgendliche Duschritual bereitete mir bald Freude. In 14 Nächten habe ich zweimal die Dusche von Zimmer Nr. 2, dreimal die Gemeinschaftsdusche und achtmal – ohne Erlaubnis – das Bad von Zimmer Nr. 2 genutzt. Niemand hat es je bemerkt.
Nun war der Urlaub vorbei. Der Durchlauferhitzer zeigte sich von seiner besten Seite, das grüne LED-Auge leuchtete freundlich, und ich genoss meine letzte Dusche. Jetzt freute ich mich auf die Rückkehr zu meiner heimischen Dusche und dem Prada-Duschgel. Was unsere Unterkunft anging, fragte ich mich oft, ob es an fehlendem Geld, britischer Bescheidenheit oder schlicht an mangelndem Interesse lag, dass sie nicht modernisiert wurde. Schade eigentlich, denn das Potenzial war definitiv vorhanden.
Das war’s. Wer reist, hat immer etwas zu erzählen – und sei es nur von Erlebnissen im Badezimmer.
Duschen
Fröhliches Duschen, wie ich es liebe,
tropft das Wasser aus dem Siebe,
Duschen macht mir wirklich Spaß,
am ganzen Körper werde ich nass,
bis an die letzte Haarspitze,
und in die kleinste Körperritze,
dringt das Wasser sanft hinein.
Splash it on und mach den Schaum,
vertreib des Nachts wirren Traum,
glättet meine Falten gut,
tut dem Wohlsein richtig gut.
Apfelgrün und Orangenduft
bringt den Süden in die Luft,
Morgenduschen – das ist Entzücken.
Plätschern muss das warme Wasser,
die Dusche wird nass und nasser.
verbreitet sich der feuchte Dampf
Reinigen wird zum Tageskampf,
Jjtzt noch einen kräft'gen Wasserstrahl,
denn heute ist’s das letzte Mal,
Frisch geduscht beginnt mein Tag.









Kommentare