Die verlorene Skorekarte - Golfers Schreckmümpfeli
- thomasvonriedt
- 26. Nov.
- 2 Min. Lesezeit

In einer dunklen, stürmischen Nacht wanderte ein einsamer Mann auf dem Heimweg durch den tiefschwarzen Wald. Regen peitschte auf die Blätter, der Wind heulte durch die Äste, und das Knarren der Bäume klang, als würden sie gegen den Sturm ankämpfen.
Plötzlich hielt der Wanderer inne. Aus der Ferne drang ein geisterhaftes Stöhnen durch das Tosen des Windes. Sein Herz begann schneller zu schlagen, je näher das Geräusch kam.
Da tauchte zwischen den Bäumen eine Gestalt auf – in ein weisses Gewand gehüllt, langsam, beinahe schwebend. Einen Augenblick lang glaubte der Wanderer, ein Gespenst zu sehen – wie man sie sich im badischen Schwarzwald seit Jahrhunderten erzählt.
Dann aber atmete er erleichtert auf: Es war bloss ein Mensch, der sich ein Betttuch umgeschlagen hatte und mit einem lauten „Buh!“ aus dem Dunkel trat.
Dankbar für die unerwartete Gesellschaft, lachte der Wanderer über den Schreck. Gemeinsam gingen sie weiter durch den Wald, und aus ihrem Gespräch erfuhr er, dass der vermeintliche Spassvogel ein unglücklicher Golfer sei.
Doch nach und nach wich die Erleichterung einem leisen Unbehagen.
Das bleiche Gesicht, die bläulichen Hände, das schwebende Tuch – so sah kein lebender Mensch aus! Mit einem Mal verstand der Wanderer, dass er es tatsächlich mit einem Geist zu tun hatte. Sein Herz raste, doch noch ehe er fliehen konnte, erhob der geisterhafte Golfer seine Stimme.
Mit tiefem Seufzen erzählte er von seinem Schicksal:
Vor vielen Jahren, nach einer grossartigen Golfrunde, war er durch diesen Wald nach Hause gegangen, um abzuschalten und die frische Luft zu geniessen. Doch er war über eine Wurzel gestolpert, hatte sich den Kopf blutig geschlagen – und war nie wieder erwacht. Seine Scorekarte, vom Wind zerrissen und fortgetragen, war verloren gegangen. Seitdem irrte er ruhelos durch den Wald, verflucht, sie zu suchen. Solange sie unvollständig blieb, könne er keine Ruhe finden.
Der Wanderer lauschte gebannt. Seine Angst verwandelte sich in Mitleid. Schliesslich bat der Geist ihn flehend um Hilfe.
Der Mann – selbst passionierter Hobbygolfer – zögerte nicht. Er wusste, wie viel eine Scorekarte bedeuten konnte. Mit der Taschenlampe seines iPhones machte er sich auf die Suche, während der Geist in ehrfürchtiger Distanz folgte, immer wieder leise jammernd.
Es wurde zu einer nächtlichen Schnitzeljagd: Zwischen Dornen und Ästen fand der Wanderer die weissen Fetzen, einer nach dem anderen. Endlich, nach langer Suche, hatte er alle beisammen. Vorsichtig setzte er sie zusammen – und vor den ungläubigen Augen des Geistes nahm die zerrissene Scorekarte wieder Gestalt an.
Ein schwaches, bläuliches Leuchten ging von ihr aus. Das Kärtchen schwebte in die Hand des Golfgeistes, und auf seinem durchscheinenden Gesicht erschien ein glückseliges Lächeln. Endlich konnte er beweisen, dass er in seiner letzten irdischen Runde tatsächlich Par gespielt – und an Loch 7 sogar ein Hole-in-One erzielt hatte.
Mit einem dankbaren Nicken begann der Geist zu verblassen.
Er löste sich auf – erst in milchigen Nebel, dann in das Dunkel des Waldes.
Der Wanderer blieb allein zurück, das Herz voller Staunen und Freude, einem Golfer geholfen zu haben – auch wenn ihm niemand glauben würde.
Die Moral von der Geschichte:
Verliere deine Scorekarte nicht – sie könnte dich sonst ewig verfolgen.










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