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Der Lederwedge - und wie er überführt wurde

  • thomasvonriedt
  • 26. Nov.
  • 3 Min. Lesezeit
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In einem Golfklub spielten einst vier Senioren um den Titel des besten Spielers. Die Finalrunde bestritten die vier besten nach dem ersten Turniertag: der ruhige Hannes, der draufgängerische Klaus, der korrekte Ulrich und das Schlitzohr Willi. Jeder von ihnen hatte Siegchancen – und alle kannten die Stärken und Schwächen der anderen nur zu gut.

 

Hannes war still und bescheiden, oft von Selbstzweifeln geplagt. Sein grösster Gegner war der eigene Kopf – vor allem beim entscheidenden Putt. Klaus dagegen war das genaue Gegenteil: selbstbewusst bis zur Überheblichkeit, mit einem Hang zur Theatralik. Seine Bälle flogen weit – manchmal zu weit – und endeten nicht selten im Aus. Ulrich, der Korrekte, spielte präzise, regeltreu und so pedantisch, dass er auf dem Platz gefürchtet, aber selten gemocht wurde. Und Willi, der charmante Trickser, war bekannt für geniale Schläge – doch es gab Gerüchte, dass bei ihm nicht immer alles mit rechten Dingen zuging.

 

Die vier starteten zur entscheidenden Runde, während die früheren Flights bereits auf der Clubveranda beim kühlen Bier sassen. Loch für Loch lieferten sie sich ein enges Duell, stets dicht beieinander. Jeder beobachtete den anderen mit Argusaugen. Hannes spielte solide Pars, garniert mit gelegentlichen Birdies. Klaus glänzte und patzte im Wechsel – himmelhochjauchzend, dann wieder zu Tode betrübt. Ulrich stritt sich mit Klaus über Regelauslegungen, während Willi wie vom Glück verfolgt schien: Wenn sein Ball ins Rough flog, fand er stets einen unmöglichen Weg zurück aufs Grün. Selbst aus dem Unterholz zauberte er Rettungsschläge à la Bubba Watson. Ulrichs Misstrauen wuchs mit jedem Loch.

 

Am neunten Abschlag, während sie ihre Wasserflaschen auffüllten, bemerkten die drei anderen Ulrichs merkwürdiges Verhalten. Der korrekte Spieler kniete im Gras, beugte den Kopf und murmelte leise Beschwörungen über seinen Titleist ProV1. „Verhindere… bestrafe… wie Pinocchio… erhöre mich…“ war zu hören.

 

Klaus schnaubte: „Jetzt hat’s ihm vollends den Weizen verhagelt.“

Hannes blieb unbeeindruckt und konzentrierte sich auf seinen Abschlag, während Willi sich vor Lachen kaum halten konnte.

 

Die Back Nine verliefen wie die Front Nine: Klaus spielte wild und unberechenbar, Hannes blieb gelassen, Ulrich kontrolliert – und Willi, der Glückspilz, hatte weiterhin die Götter des Golfes auf seiner Seite. Ob im Sand, im Gestrüpp oder hinter einer Wurzel – irgendwie brachte er jeden Ball zielsicher aufs Grün. Ulrich begann, Sankt Titleist flehentlich um göttliche Intervention zu bitten. Doch der blieb stumm – vermutlich vor lauter Fassungslosigkeit.

 

Am 18. Loch fiel die Entscheidung: Willi lochte als Letzter ein – zwei Schläge Vorsprung auf Hannes. Klaus verzockte sich am Schluss grandios: Der Versuch, mit Gewalt direkt aufs Grün zu donnern, endete in einem Maisfeld. Der Strafschlag wurde von Ulrichs süffisantem Lächeln begleitet.

 

Nach dem Spiel, unter der Dusche, brach plötzlich ein Aufschrei los.

„Da – schaut hin!“ rief jemand.

Alle starrten auf Willis rechten Fuss. Wo eben noch eine rosige Seniorenzehe im Wasser stand, verwandelte sich der Fuss – er nahm die Form und Farbe eines glänzenden Golfschuhs an.

 

„Der hat ja einen Leder Wedge!“, brüllte Klaus.

„Sankt Titleist sei Dank!“, rief Ulrich mit frommer Genugtuung.

Und Hannes murmelte trocken: „Wie bei Pinocchio – nur wächst bei ihm der Schuh, nicht die Nase.“

 

Die Moral von der Geschichte:

 

Keine.

 

Aber die vier lernten, dass beim Golf nicht nur Schläge, Regeln und Können zählen – sondern manchmal auch das Duschen seine eigenen Enthüllungen bereithält.

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