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Max auf dem Planet Golf und wie er die Stargazer Trophy gewann

  • thomasvonriedt
  • vor 7 Tagen
  • 7 Min. Lesezeit
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Reisen ist heute ein Volksvergnügen; einst war es ein besonderes Privileg, vorbehalten den Reichen und den Entdeckern in den Diensten ihrer Majestäten. Dank der NASA und anderer Organisationen ist es uns immerhin bereits gelungen, einige Menschen kurzzeitig auf den Mond zu schicken. „That’s one small step for man, one giant leap for mankind“, soll Neil Armstrong gesagt haben, als er den Mond betrat. Das ist zwar sehr respektabel, aber immer noch weit entfernt von Captain Kirks Befehl: „Beam me up, Scotty.“ Während wir bereits seit einiger Zeit Klapptelefone nutzen, steht uns die Technologie des Warpantriebs mit integrierter De-Materialisierung und Re-Materialisierung noch bevor.

 

Am wahrscheinlichsten ist, dass Unternehmer wie Richard Branson oder Elon Musk Wege finden werden, um den Mutigen und Reichen Ausflugsmöglichkeiten ins All oder auf andere Planeten anzubieten.

 

Zu der Zeit, als Max, der Golfball, seinen Hauptberuf als Pilot bei der Schweizerischen Interstellaren Fluggesellschaft ausübte, träumten findige Golfer davon, eine feste Verbindung zum Planeten Golf herzustellen. Die Voraussetzung für einen Besuch dieser äusserst eigenwilligen, exotischen Welt war ein Handicap von höchstens 36,0, das auf einem irdischen Golfplatz erspielt worden sein musste.

 

So wie heute einige Senioren gerne Plätze wie Carnoustie, Hilton Head oder Pinnacle Point kennenlernen würden, träumte Max davon, den Planeten Golf und seine exotischen Golfplätze zu besuchen. Endlich war es so weit: Max, noch in der Uniform der SIAL (Swiss Interstellar Air Line), durchlief das Check-in-Verfahren am Raumhafen Zurich International. Sein Golfgepäck war bereits über die unterirdischen Transporttunnel im Raumgleiter Swiss Star verladen worden.

 

Respektvoll wurde Max von der hübschen Flugbegleiterin Nuri, einer in Jordanien geborenen Bernerin mit leicht singender Stimme, begrüsst und zu seiner gläsernen Raumliege geführt. Er las noch die letzten Ergebnisse des Zurich United Football Clubs in der Boulevardzeitung The View, genoss dann das köstliche Weltraummenü und ein Glas Sternensekt. Die Raumliege schloss sich automatisch, Max sank sanft in den Schlaf eines Weltenbummlers und würde erst nach Erreichen des Ziels von einer freundlichen Computerstimme geweckt werden.

 

Der Planet Golf, entdeckt von Bridget Stone, einer renommierten Astronomin und Golferin aus England, hatte sich jahrelang hinter einem riesigen Planeten in der Andromeda-Galaxie versteckt. Die starke weisse Reflexion seiner Oberfläche erinnerte Bridget Stone so sehr an einen Golfball, dass sie ihn kurzerhand Planet Golf taufte. Das Astronautenteam, das den Stern als erstes besuchte, berichtete von günstigen Voraussetzungen für irdisches Leben. Die Gravitation war ähnlich, auch wenn die Vegetation deutlich von der der Erde abwich. Ein Astronaut entdeckte zufällig, dass der grüne Boden in seiner Dichte hochwertigem Golfrasen ähnelte und sich hervorragend für Fairways eignete.

 

Die GIO, ein internationales Unternehmen für die Entwicklung und den Betrieb von Golfplätzen und Resorts, investierte daraufhin Milliarden von Erd-Dollars. In Zusammenarbeit mit interstellaren Transportunternehmen wurde ein regelmässiger Shuttlebetrieb ins Leben gerufen.

 

Max stieg völlig erholt aus seiner Raumkabine. Die Reise schien fast spurlos an ihm vorübergegangen zu sein, wenn man bedenkt, dass die Route durch die Wurmlochrouten über zwei Millionen Lichtjahre Distanz überbrückt hatte. Mannschaft und Passagiere verliessen das Raumschiff und begaben sich zu den Gleittaxikugeln.

 

Die mondänen Golfresorts Stardust, in denen Max die nächsten Wochen verbringen würde, wurden von eleganten Glasraumkugeln eines örtlichen Betreibers autonom angeflogen. Das Gepäck der Gäste wurde dank des ausgeklügelten Logistiksystems der Resort Betreiber problemlos an seinen Bestimmungsort gebracht. Hier blieb nichts dem Zufall überlassen, Komfort und Vergnügen hatten oberste Priorität.

 

Max staunte über die Pracht der Landschaft unter ihm, während die Raumkugel geräuschlos durch den Himmel glitt. Die Sonne strahlte in einem warmen Hellgrün, satte Auen, gesprenkelt in Grün-Gelb, hoben sich von sanften ockerfarbenen Bergen und Hügeln ab. Warum die Gewässer ein so intensives Violett aufwiesen, würde er nach seiner Ankunft noch herausfinden wollen.

 

Der Tag verging aufregend schnell. Nach der herzlichen Begrüssung durch den Clubmanager – eine schlanke Person mit dem edlen Kopf eines farbenprächtigen Tukans – schloss sich Max einer Gruppe von irdischen Golfern an und liess sich die beeindruckende Infrastruktur des Hotels zeigen. Es folgten Willkommensdrinks an der Wedge Bar und das Abendessen im edlen Restaurant The Star Putt, wo vegetarische Steaks in einer Art Pfeffersauce serviert wurden – auf einem Planeten, auf dem es laut Reiseführer keine Tiere im irdischen Sinne gab, die sich zum Verzehr eigneten.

 

Für den morgigen Tag war das grosse Golfturnier um die Stargazer Trophy geplant. Ein Wettbewerb über 36 Löcher mit Cut nach dem ersten Tag und Stechen bei Gleichstand. Max fühlte sich gut in Form und freute sich auf den Start. Danach zog er sich in sein Raumzimmer zurück, sah sich noch die neuesten Nachrichten beim holografischen Moderator an und schlief langsam ein.

 

 

Das Turnier und die triumphale Rückkehr

 

Ein Turnier auf dem Planeten Golf erfordert keine besondere Vorbereitung, ganz ähnlich wie zu Hause im GCOA (Golf Club Obere Alp). Muskeln dehnen, aufwärmen, Schlagtraining auf der Driving Range und schliesslich Fokus und Konzentration auf das bevorstehende Spiel.

 

Während Max Schwungübungen auf dem Trainingsplatz machte, bemerkte er, dass die Vegetation am Spielfeldrand sein Training aufmerksam verfolgte. Pflanzen und Bäume drehten ihre „Köpfe“ und verfolgten den Ball mit grossen „Augen“ bis zu seinem Aufprall und Stillstand. Kleine grüne Helferpflanzen aktivierten dann die holografische Anzeige für den Spieler, die ihm Abweichungen zum Ziel, die Länge des Flugs und alle anderen relevanten Daten mitteilte. Fast wie zu Hause, dachte Max, obwohl man dort noch mit digitalen Anzeigen aus den späten 2020er-Jahren arbeitete.

 

Das vollautomatische Spielerinfosystem rief die Teilnehmer zur Vorbereitung auf. Max sollte im 3. Flight starten, zusammen mit Karl Brutal, Hans Fatal und Gregor Genial – drei erfahrene Gegner. Max beachtete den grossspurigen Karl kaum und konzentrierte sich darauf, Gregor Genial zu beobachten, der in anderen Turnieren mit ungewöhnlichen Schlägen aufgefallen war.

 

Nun war es an Max, seinen ersten Schlag zu tätigen. Karl beförderte seinen Ball mit brutaler Kraft nur knapp 30 Yards weit und landete in einer etwas ungünstigen Position auf der linken Seite des Fairways, kurz bevor der Kurs nach links abknickte. Gregor platzierte seinen Ball zwar 50 Yards kürzer als üblich, dafür aber in einer aussichtsreichen Position auf der rechten Seite, etwa 180 Yards vom Loch entfernt. Auch Hans Fatal, trotz seines speziellen Namens, lag fast gleichauf mit Gregor.

 

Max legte den Ball auf das Tee des ersten Lochs, wo fleissige intelligente Grashalme ihn auf die ideale Abschlagshöhe hoben. Max war bereit. Er führte den Schwung mit seinem Modell 2051 Star Ping, einem verzeihenden Driver mit integrierter Flugkorrekturfunktion. Lautlos und gleichmässig beschleunigte der Schläger, kurz vor dem Aufprall auf den Sweet Spot noch einmal spürbar.

 

Sein High-Tech-Ball der neuesten Generation, hergestellt von Interball of Switzerland, mit einem Kern aus Gotthard-Granit, umhüllt von umweltfreundlichem Speedolon® und einer zusätzlichen Schutzschicht aus widerstandsfähigem Protectan®, überwand die Strecke ohne jegliche Abweichung von der gewählten Flugbahn. Der innenliegende Granitkern beschleunigte den Ball beim Auftreffen am Boden und liess ihn noch Extrameter gewinnen. Max übertraf Gregors Ball und war sicher, dass er mit einem Eisen 7 das Green problemlos erreichen würde.

 

Hans Fatal schlug als erster seinen zweiten Ball und wählte das Eisen 5. Gregor bevorzugte ein Holz und lenkte den Ball geschickt an das Green heran. Max nahm seinen Lieblingsschläger, das Eisen 7, und setzte den Ball mit einem soliden Schlag aufs Green.

 

Nun war Karl Brutal an der Reihe, um sich mit der erwarteten Urkraft aus seiner schwierigen Lage zu befreien. Er entschied sich für ein 9er Eisen und schaffte es, den Ball über die Bäume hinweg zu schlagen, sodass er schliesslich direkt neben Hans Fatal landete. Ein beeindruckender Schlag, ausgeführt mit roher Kraft, liess einen Regen aus ausgeschlagenem Rasen und Erde über den Spieler niedergehen. Sein nächster Schlag, eine Annäherung, brachte den Ball aus dem Gras aufs Green, aber leider weit am Loch vorbei. Hans Fatal traf die Stange, und der Ball rollte fast wieder zu ihm zurück. Gregor hatte Pech: Sein genial gespielter Ball, ein gelber „FlightPlus“, blieb unmittelbar vor dem Loch liegen. Max musste nur noch seinen weissen Interstar mit einem leichten Antippen ins Loch befördern. Das erste Birdie des Tages war notiert.

 

In den folgenden beiden Tagen entwickelte sich ein erbitterter Schlagabtausch. Die Spieler kämpften verbissen. Hans Fatal schied drei Löcher vor dem Ziel aus. Die Nerven verliessen ihn, das schwer zu spielende Rough das die Bälle heimtückisch an sich zog, zwang ihn zu so vielen Fehlschlägen, dass er den Wettbewerb vorzeitig aufgeben musste.

 

Karl brach durch seine unbeherrschte Spielweise erst sein Eisen 7 und danach die Nummer 5 und war ebenfalls aus dem Rennen. Gregor und Max lagen abwechselnd an der Spitze; nur einmal musste Max einen Rückstand von zwei Punkten mühsam aufholen. Dann war es so weit: Sie waren an Loch 18 gleichauf.

 

Die letzte Bahn des roten Kurses zeichnete sich durch hügeliges Gelände aus, mit Doglegs, die eine kluge strategische Spielweise erforderten. Auch die Wasserhindernisse mussten beachtet werden, da sie leicht die Anzahl der Schläge in die Höhe treiben konnten. Der letzte Schlag sollte entscheiden, es verblieben nur noch 110 Meter.

 

Gregor Genial entschied sich für eine hoch ansteigende Annäherung mit einem Wedge, während Max sicher war, dass ein flacher Annäherungsschlag mit dem Eisen 8 die vielversprechendste Lösung war. Und so war es auch.

 

Max tippte den Ball vorsichtig an; dieser landete weich auf dem Green, und der Granitkern des Interstar liess ihn geschmeidig ins Loch rollen. Gregor Genials letzter Versuch, um gleichzuziehen, blieb erfolglos – er schlug zu kurz. Max warf seinen Schläger in die Höhe und küsste anschliessend seinen Siegerball, bevor er sich auf den Weg zum Spielleiterbüro machte.

 

Was danach geschah, nahm Max kaum bewusst wahr. Die Emotionen waren noch zu intensiv, und er war gefangen im Rausch der Gefühle. Das animalische Lächeln der Golfclub-Präsidentin, einer Löwin mit schlankem Körper, grauen Haaren und edlem Schmuck, liess ihn leicht erzittern. Schliesslich stand noch die offizielle Eröffnung des Galaabends mit der Präsidentin bevor.

 

Die Stargazer Trophy, das ultimative Ziel eines jeden ambitionierten Amateurgolfers, wurde ihm von der Löwin mit dem verzehrenden Blick und einem leisen, gutturalen Grollen überreicht. Die Trophy in der Hand begab sich Max vor die wartende Menge, um die obligate Dankesrede zu halten.

 

Wie es sich für einen Sieger gehört, erlebte Max den Rückflug in die Heimat in der VIP-Kapsel, begleitet von Nuri, seiner persönlichen Betreuerin. Der Speed-Kreuzer der SIAL, das neueste Modell in der interstellaren Flotte der Raumfahrtgesellschaft, überwand die paar Millionen Lichtjahre in kürzester Zeit. Rechtzeitig weckte ihn die Computerstimme, der Orbit-Espresso liess ihn endgültig erwachen. Schade nur, dass ein Flug in Warpgeschwindigkeit kaum Zeit für längere Gespräche mit der attraktiven Begleitung liess. Zeit, Geschwindigkeit und Kräfte zwangen die Passagiere zu einer Art katalytischen Schlaf, damit sie am Ende der Reise erholt den Speed-Kreuzer verlassen konnten.

 

Ein letztes Adieu an Nuri, die ihm sehnsüchtig nachsah, dann durchschritt Max die elektronischen Kontrollen bei der Ankunft, wo seine Kameraden von der Alp mit Flaggen auf ihn warteten. Es gab keinen Zweifel: Er hatte etwas Aussergewöhnliches erreicht. Der Planet Golf rückte bereits wieder in weite Ferne, doch in Max’ Kopf kreisten schon neue Ideen.

 

Welches nächste Abenteuer wartet wohl auf Max?

 
 
 

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