Die Fabel vom Hahn, den Schafen und dem Fuchs
- thomasvonriedt
- 17. Dez.
- 2 Min. Lesezeit

Auf einem alten Hof, zwischen Apfelbäumen und einem müd klappernden Windrad, lebte ein Hahn.
Er war stolz, selbstgefällig und felsenfest überzeugt, dass ohne sein Krähen die Sonne niemals aufginge. Jeden Morgen, Punkt fünf Uhr, flatterte er auf den Misthaufen, reckte den Hals, schüttelte sein prächtiges Gefieder – und schrie die Welt zusammen.
„Kikeriki! Aufstehen, ihr Faulenzer, das Licht kommt – meinetwegen!“
Und wie jeden Morgen erwartete er Beifall.
Die Schafe auf der Weide hörten es geduldig. Sie hatten längst begriffen, dass die Sonne auch ohne den Hahn ihren Dienst tat – pünktlich, still und unbeeindruckt. Aber anstatt ihn zu korrigieren, blökten sie im Chor:
„Bravo, grossartig! Ohne dich wären wir verloren!“
Der Hahn blähte die Brust.
„Man muss eben führen können“, sagte er wichtig, und trat eine Hühnerspur in den frischen Mist, die er für Geschichte hielt.
Doch eines Tages kam der Fuchs. Leise, hungrig, listig – und mit keinem Funken Respekt vor der Hofordnung. Er schlich durch das Gras, die Augen wie zwei glühende Knöpfe, der Schwanz so glatt wie ein Gedanke vor dem Sprung.
Ehe jemand es bemerkte, war das erste Schaf verschwunden. Dann das zweite. Dann das dritte.
Der Hahn krähte, flatterte, schlug Alarm.
„Zusammenhalten! Keine Panik! Ich habe die Lage im Griff!“
Die Schafe blökten erleichtert:
„Der Hahn wird uns retten – er hat doch immer recht!“
Doch der Fuchs lachte nur, während er sich das Maul abwischte.
Im Bauernhaus hingegen sass der Bauer.
Er zählte Geld, schrieb Rechnungen, scrollte auf seinem Tablet.
„Vielleicht“ murmelte er, „wären Plastikschafe aus China günstiger. Die brauchen kein Futter, keine Wiese – und krähen könnte man im Zweifel auch per App.“
E nickte zufrieden und goss sich einen Schnaps ein.
Als die Nacht hereinbrach, war es still auf dem Hof. Nur der Wind drehte das alte Rad, und irgendwo im Dunkeln schimmerte der Fuchsschwanz wie ein letzter Gedanke an die Realität.
Der Hahn aber stand noch immer auf seinem Misthaufen, krähte in die Leere, die er für ein Publikum hielt, und war felsenfest überzeugt, dass die Sonne nur ihretwegen aufgehen würde.
Moral
Wer glaubt, sein Krähen ersetze Haltung und Tat, macht sich lächerlich.
Und wer blind hinterherblökt, darf sich nicht wundern, wenn der Fuchs längst das Abendessen bestellt hat.










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